Ein Sechstel der österreichischen Schulen kann Talente nicht ausreichend fördern, so eine Hochrechnung der Bevölkerungsdaten durch Bildungsexperten der Arbeiterkammer Wien. Solche Schulen werden von überdurchschnittlich vielen Kindern besucht, deren Eltern nach der Pflichtschule keinen Abschluss mehr gemacht haben. "Die geplante Schulautonomie wird nur funktionieren, wenn die Mittelverteilung an die Schulen an die Bedürfnisse der Kinder am jeweiligen Standort angepasst wird", sagte AK-Präsident Rudolf Kaske bei der Präsentation der Erhebung.

Dass in Österreich Bildung nach wie vor stärker vererbt wird als in anderen Ländern, belegen zahlreiche Studien. Diese Vererbung liegt aber auch am Lernumfeld in der Schule. Denn wenn Kinder in der Schule nicht ausreichend gefördert werden können, müssen die Eltern einspringen oder teuere Nachhilfe organisieren. Gibt es in einer Klasse sehr viele Schüler aus bildungsfernen Familien, verschlechtern sich auch die Lernergebnisse der ganzen Klasse, bestätigt auch die aktuelle AK-Erhebung.

Soziale Durchmischung

Eine ausgewogene soziale Durchmischung sei, so Kaske, eine wichtige Voraussetzung, um Lernchancen zu verbessern. Laut Analyse der Arbeiterkammer ist diese soziale Durchmischung aber bei rund einem Drittel der österreichischen Schulen nicht gegeben. In 17 Prozent der Volksschulen, Neuen Mittelschulen sowie der Unterstufen von Gymnasien gibt es eine Konzentration von Schülerinnen und Schülern mit einem besonders hohen Förderbedarf.

Um hier die Lernchancen zu verbessern, hat die Arbeiterkammer einen Chancenindex entwickelt. Im Wesentlichen werden dafür Migrationshintergrund, Alltagssprache der Schüler sowie Bildungsstand Eltern berücksichtigt. Zusätzlich zur bisherigen Basisfinanzierung sollen Schulen je nach Förderbedarf mehr Mittel für weiteres Lehrpersonal, Psychologen und Sozialarbeiter bekommen. Voraussetzung dafür müsse aber in allen Fällen ein bedarfsorientiertes Konzept der Schule beziehungsweise des Schulclusters sein, sagte Kaske.

"Kurz gefasst wollen wir mehr Mittel für Schulen mit vielen Kindern, denen die Eltern keine teure Nachhilfe zahlen können", so Kaske. Die Arbeiterkammer rechnet für Volksschulen und Neue Mittelschulen mit zusätzlichen 300 Millionen Euro pro Jahr. Die Idee vom Chancenindex ist nicht neu. Bereits im Mai sprach sich Bildungsministerin Sonja Hammerschmid in einem STANDARD-Interview für einen Chancenindex aus. In der aktuellen Bildungsreform findet sich dieser aber nicht wieder. (Gudrun Ostermann, 10.11.2016)