Wien – Der Interessenverein Digitalradio Österreich wundert sich über die Absage von ORF-Chef Alexander Wrabetz – und versucht ihn mit einem Vorschlag für eine Gesetzesänderung zu locken: Der ORF soll zwei weitere bundesweite Radiokanäle auf DAB+ starten dürfen, schlug Vize-Vereinsobmann Wolfgang Struber am Donnerstag beim "WorldDAB Forum" in Wien vor. Struber ist Geschäftsführer der Arabella-Privatradios in Österreich. Die zwei ORF-Kanäle sollten also werbefrei sein, findet Struber.

Hintergrund des Vorschlags: Der ORF wollte mit einem jüngeren Ableger von Ö3 ("Ö3X") am Testbetrieb von DAB+ in Wien teilnehmen; die Medienbehörde erinnerte ihn daran, dass das ORF_Gesetz keinen weiteren Radiosender vorsieht. Wrabetz verwies bei seiner Absage an DAB+ am Mittwoch auf die geltende Gesetzeslage.

Teures Silicon Valley

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hatte erst tags zuvor im Publikumsrat angekündigt, dass der ORF auch weiter aufs analoge UKW setzen werde. Der ORF habe kein Geld für eine Parallelausstrahlung, und das ORF-Gesetz verbiete zusätzliche Radio-Programmangebote. Technische Vorteile sieht Wrabetz auch nicht, und DAB+ sei in anderen Ländern auch nicht gerade erfolgreich. Der ORF sieht mehr Potenzial in neuen Streaming-Technologien wie etwa der neuen Echo-Box von Amazon.

Die europäischen DAB-Verfechter lassen all das nicht gelten. Struber hält gar nichts davon, dass der ORF in der Zukunft des Hörfunks "offensichtlich auf disruptive Silicon-Valley-Technologien" setzen will. "Wir halten das für eine brandgefährliche Überlegung." Was die Finanzen betrifft, ist es Struber ein Dorn im Auge, dass der ORF "Unsummen" in "stationäre TV-Technologie DVB-T 2 investiert", digitales Radio aber links liegen lasse. Außerdem müsse auch der Digitalisierungsfonds auf 1,2 Millionen Euro aufgestockt werden, so seine Forderung an die Politik.

Dialog mit Privatsendern

Dass der Gesetzgeber dem ORF keine zusätzlichen Radio-Angebote erlaubt, findet der Radio-Arabella-Geschäftsführer aber auch nicht gut. Der ORF sollte "zwei neue, bundesweite, nicht regionalisierbare und werbefreie Programme" für DAB+ anbieten dürfen. Denn eins zeigten die Erfahrungen in Europa: DAB+ braucht neuen originären Content, um am Markt erfolgreich zu sein. Struber geht damit freilich nicht wirklich mit der Position des Verbands Österreichischer Privatsender (VÖP) d'accord, der strikt gegen neue Kanäle für den ORF ist, wie er selbst einräumte. Hier gelte es, einen "Dialog zu führen".

Digitale EBU-Wünsche

Die European Broadcasting Operation (EBU) jedenfalls hat größtes Interesse an einem starken DAB+-Angebot in Europa. Nur dieses würde Innovationen am Radiosektor erlauben. Denn die UKW-Frequenzen seien ausgeschöpft, das Spektrum "überfüllt" und behindere so die Weiterentwicklung des Mediums, führte EBU-Radio-Chef Graham Dixon aus. "UKW ist voll", formulierte es Patrick Hannon, Präsident von WorldDAB.

Radiostreaming via Internet sei keine zukunftsträchtige Alternative, selbst wenn der neue mobile Standard 5G vor der Tür stehen sollte. Weder könne man damit den mobilen Empfang – Stichwort Autoradio – unterbrechungsfrei garantieren, noch sei Verlass aufs Internet in Ausnahmesituationen wie Katastrophenfällen. Und teurer sei es auch.

Blas- und Volksmusik

Helwin Lesch vom Bayrischen Rundfunk kann übrigens nicht bestätigen, dass DAB+ erfolglos sei: In Bayern seien derzeit 40 Prozent der verkaufen Radiogeräte DAB+-fähig. "Digitalradio ist auf dem Markt angekommen." Dem BR ermögliche dies erfolgreiche Zusatz-Sender wie etwa "BR Heimat", ein "Blas- und Volksmusiksender".

Ausschreibung 2017

In Österreich läuft seit Frühling 2015 ein DAB+-Pilotbetrieb. Mit einer Ausschreibung des Multiplex durch die KommAustria wird kommendes Jahr gerechnet. (red, APA, 10.11.2016)