Sie hätte Sinnbild für die Integration Europas sein sollen und droht sich nun ins Gegenteil zu verkehren: die Stromwirtschaft. Weil die in den Nordsee-Windparks produzierten Elektronen immer öfters über Polen und Tschechien in die Verbrauchszentren Baden-Württembergs, Bayerns und Österreichs fließen, soll es wieder Grenzen geben. Warschau und Prag versuchen, in ihren Augen lästigen Billigstrom mittels Phasenschiebern außer Landes zu halten. Sie wollen die eigene Kohle- und Atomlobby schützen. Die Leitungen aber glühen weiter.

Für Abkühlung soll ein künstlicher Engpass an der einzigen Grenze ohne Kapazitätsbeschränkung sorgen – zwischen Österreich und Deutschland. Die Treiber sind Polen und Tschechien, Deutschland spielt mit, den anderen ist es egal, Österreich nicht. Wenn weniger Billigstrom aus Deutschland durchkommt, steigen hier die Strompreise.

Dabei liegt das Problem nicht an der Grenze, sondern mitten in Deutschland. Die Regierung in Berlin hat den Ausbau erneuerbarer Energien zu Recht vorangetrieben, den gleichermaßen notwendigen Ausbau der Nord-Süd-Leitungen aber verschlafen. Weil ein künstlicher Engpass in Deutschland, wo er eigentlich hingehörte, politisch kaum verkraftbar wäre, ist das politische Berlin aber heilfroh über die Idee mit dem Engpass an der Grenze. Abgesehen davon, dass das bestenfalls kurzfristig etwas hilft: Europäisch gedacht ist das nicht. Das ist elektrischer Nationalismus. (Günther Strobl, 10.11.2016)