Es wird eine teure Woche für den ORF, eine gewinnbringende, spannende und trennende Woche für's private Radio, eine wichtige für Ö1 und eine gewiss erkenntnisreiche für Menschen, denen digitale Courage am Herzen liegt. Soviel lässt sich jedenfalls schon absehen.

Die Wahrheit über Österreichs Radiohörer

Ein halbes Jahr hat's gedauert, aber diese Woche verrät GfK Österreichs Radiosendern, wieviele Marktanteilsprozente sie die heimlichen "Glättungen" des Marktforschungsinstituts in den vergangenen Jahren gekostet haben – und damit womöglich auch Werbegeld. In vielen Fällen wurde zu Ungunsten von Privatsendern und zu Gunsten von ORF-Programmen geglättet, Ausnahmen gab es.

Hier ein kleiner Vergleich zwischen realen und "geglätteten" Werten für Wien, Hörer ab zehn Jahren, für 1. und 2. Halbjahr 2015, in der dritten Spalte steht jeweils die Abweichung.
Foto: red

Im Frühjahr hat GfK die Manipulation der Daten durch eine Gruppe von Mitarbeitern, wie es damals hieß, offengelegt. Die korrigierten, nun ungeglätteten Daten über Österreichs Radiomarkt in den Jahren 2011 bis 2015 werden diese Woche ausgeliefert. Man darf gespannt sein – auf die Unterschiede zu den bisher vorgelegten, geglätteten Daten wie auf allfällige Konsequenzen. Zum Beispiel, dass künftig Auditoren einen Blick auf die Werte werfen dürften.

Tag der Wahrheit für Ö1

Die Hörerinnen und Hörer von Ö1 müssen auf den Tag der Wahrheit für ihr Programm noch ein wenig warten, aber das sind sie ja schon gewöhnt: Was mit der Programmreform auf sie zukommt, lesen sie schon eine ganze Weile etwa auf derStandard.at/Etat. Kommenden Donnerstag soll aber die Programmreform immerhin der Stiftungsrat beschließen, mit Mai 2017 soll man sie auch hören können.

Tag der Dramatik für Gebührenzahler – alle Jahre wieder

Am Dienstag eröffnet der ORF offiziell das Vorspiel für seine nächste Gebührenerhöhung. Am 15. November muss der ORF seinen Finanzplan für das nächste Jahr vorlegen, und weil eine (wie ohnehin immer) höchst umstrittene Gebührenerhöhung ansteht, wird er wohl ein recht drastisches Szenario ohne Anpassung malen.

Da könnten ohne Erhöhung schon an die 70 Millionen Euro Minus für 2017 und recht drastische Sparmaßnahmen drohen. Sparmaßnahmen am Personal, etwa um Nulllohnrunden ging es da schon mehrfach. Sparmaßnahmen aber vor allem auch am Programm (weil flexiblere Kosten) – und dort wiederum rasch bei Österreichs Produzenten. Die sorgen gemeinhin für öffentlichkeitswirksame Aufschrei-Kampagnen und damit auch für ordentlich Druck Richtung Gebührenerhöhung und/oder –refundierung.

Die Drama-Tradition im ORF

Hier geht's lang zur nächsten Gebührenerhöhung: Gerd Bacher (re.) weist auf diesem Bild aus 2007 Alexander Wrabetz die Richtung.
Foto: APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER

Das Gebühren-Vorspiel hat lange Tradition:

  • 1993 prognostiziert noch Gerd Bacher 23 Millionen Minus (in Schilling dramatischere 318,7 Millionen), verweist auf beinahe aufgebrauchte Reserven und bekommt bald ganze 16,5 Prozent Gebührenerhöhung.
  • Gerhard Zeiler prognostiziert 1996 in seiner Finanzvorschau ohne Gebührenerhöhung 523 Millionen Euro Miese bis zum Jahr 2000. Zeiler erreicht 7,2 Prozent Gebührenerhöhung und eine Nulllohnrunde im ORF. Da sitzt übrigens schon ein gewisser Alexander Wrabetz im ORF-Aufsichtsgremium. Zeilers tatsächliche Ergebnisse (mit diesen Maßnahmen): zweistellige Millionen – im Plus.
  • Für das Geschäftsjahr 2002 melden Generalin Monika Lindner und ihr Finanzdirektor Alexander Wrabetz im Sommer 2003 ein sattes Minus von 42,5 Millionen Euro. Sie bekommen 8,2 Prozent mehr Gebühren ab 1. Jänner 2004.
  • Im Dezember 2007 warnt Alexander Wrabetz, nun ORF-General, vor dreistelligen Euromillionenverlusten in den nächsten drei Jahren – er fordert eine Nullohnrunde und 9,1 Prozent mehr Gebühren. Er bekommt 2008 acht Prozent.
  • 2010 bilanziert der ORF erstmals seit 2007 wieder positiv – 2011 steht ja eine Generalswahl an. Deshalb ist auch bei Bilanzvorlage wenige Wochen vor der Wahl eine Gebührenerhöhung "aktuell kein Thema". Das Zitat stammt von ORF-Finanzdirektor Richard Grasl, dessen Finanzvorschau aber für 2012 schon 15,1 Millionen operatives Minus vorhersagt und für 2014 60 Millionen unter Null. 2012 bekommt der ORF zwar nicht die kalkulierten 11,4, aber immerhin sieben Prozent höhere Gebühren.
  • Die bisher letzte Finanzvorschau für 2016 bis 2020 sagt dem ORF – schon mit einer Gebührenerhöhung um 10,5 Prozent – ab 2016 bis 2020 jährliche Verluste von 20 bis 60 Millionen Euro voraus, dem ORF-Konzern mit Töchtern 19 bis 57 Millionen Minus.

Der ORF muss Gebührenerhöhungen schließlich mit entsprechendem Finanzbedarf begründen. Finanzbedarf für den öffentlich-rechtlichen Auftrag – der aber beim ORF ohnehin sehr weit reicht.

Im Dezember, nach den Stiftungsratsterminen diese Woche, ist mit dem (wohl einstelligen) Gebührenantrag zu rechnen. Diese Woche geht es um Programmschemata für 2017 (im Fernsehen könnten laut Wrabetz im Herbst 2017 Änderungen anstehen) und um die Werbetarife des ORF für 2017.

Erleichterung für Privatradios

Etwas günstiger könnte das Senden indes Österreichs Privatradios künftig kommen: In diesen Tagen dürften die Wirtschaftskammer und die Leistungsschutzgesellschaft LSG neue Regeln für Musikverwertungsrechte unterzeichnen. Die alten Regeln und Prozentsätze stammten noch aus Vereinbarungen vor dem Start der Privatradios vor zwei Jahrzehnten – und sie bereiteten vor allem regionalen und lokalen Sender einige Schwierigkeiten bei der Werbepreisgestaltung. Die Gebühren für Verwertungsrechte berechneten sich nach den Brutto-Werbeeinnahmen laut Tarifliste. Nun soll es international vergleichbarere Sätze geben, und auch die digitale Nutzung ist nun erfasst.

Das Thema wird die Privatsender dennoch weiter beschäftigen: Mit der AKM kam man bisher nicht zu einer Neuregelung, hier treffen einander die Verhandlungspartner inzwischen vor Gericht.

Das Ende von DAB

Günstiger würde das Senden auch über Digitalradio statt Ukw. – Jedenfalls für die Sender, die Hörerinnen und Hörer müssten ja erst einmal neues Gerät anschaffen. 2017 schreibt die Medienbehörde nach bisherigen Ankündigungen eine bundesweite Plattform für DAB+ aus. Und ORF wie Kronehit wollen nach bisherigen Ankündigungen nicht dabei sein.

Die Schweiz indes schaltet diesen Dienstag den alten Digitalradiostandard DAB ab und mit Ukw ist in der Schweiz mit 2020 Schluss, berichtet mir ein Kollege aus dem Nachbarland etwas verwundert über die ORF-Verweigerung: "Hier setzen die SRG und die privaten Sender gemeinsam auf DAB+."

Digitale Courage und gesetzlicher Handlungsbedarf

Am Mittwoch, dem evangelischen Buß- und Bettag, widmet sich eine parlamentarische Enquete der "Digitalen Courage" gegen Hass im Netz. Das umfangreiche Grünbuch zum Thema ist schon abzurufen (unter diesem PDF-Link von der Parlamentsseite). Experten liefern da einige ziemlich konkrete Anhaltspunkte, wie diese Digitale Courage zu fördern wäre – und welche Gesetze zu ändern oder ergänzen wären, um einfacher gegen digitale Hassrede vorzugehen. "Es besteht dringend Handlungsbedarf", schreibt etwa die Wiener Medienrechtsanwältin Maria Windhager (sie vertritt auch den STANDARD).

Lyane Sautner, Rechtsprofessorin an der Linzer Kepler-Uni, und Windhager empfehlen etwa, dass Staatsanwälte (mit Ermächtigung der Betroffenen) bei Beleidigung tätig werden sollten. Bisher wird dieses Delikt nur verfolgt, wenn Betroffene privat klagen. Sautner rät dazu, Cybermobbing rechtlich klarer zu definieren, damit auch einmalige Postings zweifelsfrei darunter fallen und nicht nur Wiederholungstaten.

Die Titel-Illustration der Wochenschau hab' ich mir diesmal bei Dreamworks ausgeborgt: "Trolls – der Film", mehr dazu unter diesem Link. Mit dem Titel geradezu prädestiniert für Debatten über digital auffällige Existenzen.

Windhager findet problematisch, dass der 2016 neu und "sehr eng" gefasste Tatbestand der Verhetzung Absichtlichkeit verlangt: "Zukünftig muss es dem Hetzer gerade darauf ankommen, die Menschenwürde zu verletzen. Das sorgt für erhebliche Schwierigkeiten und schränkt die Strafbarkeit deutlich ein." Die im Verhetzungsparagrafen definierten Gruppen von Betroffenen seien zudem "zu starr" definiert, "um auf die unterschiedlichen Gewalt- und Hassphänomene im Internet reagieren zu können". Windhager regt einen neuen Straftatbestand "zwischen Beleidigung und Verhetzung" an, der "schwere verbale Übergriffe vor einer großen Öffentlichkeit" ahndet.

Aber bei #DigitaleCourage geht es ja längst nicht nur um rechtliche Fragen.

Analog anfangen

Sabine Bürger, Digital Engagement Managerin bei derStandard.at, steckt den Rahmen in ihrem Beitrag zum Grünbuch weiter: "Wenn wir uns fragen, ob man das Internet an die Hasskultur verliert, dann muss man auch fragen, wie es um die Gesellschaft steht. Wer Digitale Courage etablieren, stärken, oder fördern möchte, muss im analogen, im echten Leben anfangen – und das möglichst früh. Der Bildungsbereich kann da eine wesentliche Rolle spielen." Bürger empfiehlt ein eigenes Unterrichtsfach Medienkompetenz.

Politiker in die Foren

Und Bürger verweist auf Timothy Garton Ashs Buch "Redefreiheit – Prinzipien für eine digitale Welt": "Man kann konstruktiven Dialog nicht fördern, indem man ihn proklamiert, man muss darüber sprechen und sich an Kontroversen beteiligen. Demnach müssten auch Politiker in Social Media Präsenz zeigen und auf Augenhöhe an Diskussionen und Debatten teilnehmen. Sie könnten sich durch Gesten, Positionierungen und öffentliche Erklärungen für einen respektvollen Umgang einsetzen, auch wenn dies vielleicht bedeuten würde, gegen die Vorurteile der eigenen Wähler (egal welcher Partei) Stellung zu nehmen. Motto: Haltung statt Anstacheln."

ORF 3 überträgt die Enquete übrigens am Mittwoch ab 10 Uhr live, und auf derStandard.at werden Sie gewiss gute Möglichkeiten finden, über #DigitaleCourage mitzureden. (Harald Fidler, 14.11.2016)