Marcel Koller: "Es wird für uns schwieriger, aber es sind noch 18 Punkte zu vergeben."

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Nicht nur Marko Arnautovic musste sich in diesem Seuchenjahr an Enttäuschungen gewöhnen. Diesmal jubelten die Iren. Die bisher sehr frustrierende WM-Qualifikation wird am 24. März 2017 mit dem Heimspiel gegen die Republik Moldau fortgesetzt.

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Wien – Vermutlich langweilt sich Marcel Koller bereits selbst. Seine Analysen sind Wiederholungen geworden, der leere Gesichtsausdruck passt zu den Worten, zu den Floskeln, zu den alternativlosen Durchhalteparolen. Seit einem Jahr sind die Leistungen der österreichischen Fußballnationalmannschaft bescheiden, und das ist eine höfliche Bewertung. Am Samstag setzte es den nächsten Tiefschlag, ein 0:1 daheim gegen Irland. Es war heuer bereits die sechste Niederlage. Besiegt wurden lediglich Albanien, Malta und Georgien, drei Länder, die nicht unbedingt zu den Erfindern und Stützen des Spiels gehören.

Die WM 2018 in Russland ist weit, weit weg. Vier Punkte nach vier Runden in der Gruppe D sind Anlass zur Depression, zur Selbstgeißelung. "Wir waren nicht effizient", sagte Koller. Wohl wissend, dass diese Erkenntnis niemanden zufriedenstellt. Die Nation hat eine Trainerdiskussion, so mahlen die Mühlen des Fußballs. Wobei sie ÖFB-Präsident Leo Windtner bereits offiziell abgewürgt hat. "Es ist Besonnenheit gefragt. Eine Teamchefdiskussion ist so notwendig wie ein Kropf. Es ist wichtig, Ursachenforschung zu betreiben und das Mind-Set neu aufzustellen, damit wir wieder in die Erfolgsspur zurückkommen. 2016 ist ein Seuchenjahr."

Koller weiß, "dass du als Trainer Ergebnisse brauchst. Ich werde alles in die Waagschale werfen, damit wir wieder gewinnen. Es ist eine schwierige, mühsame Phase." Andererseits habe er schon "andere Gewitter erlebt und überstanden". Der 56-jährige Schweizer macht einen interessanten Entwicklungsprozess durch. Es gibt Ansätze und Anzeichen, Fehler einzugestehen. "Ich hinterfrage mich immer."

Experiment Wimmer gescheitert

Ein Beispiel: In Koller wurde die Idee geboren, aus dem Innenverteidiger Kevin Wimmer einen linken Außenverteidiger Kevin Wimmer zu basteln. Erst gegen Wales (2:2), dann gegen Serbien (2:3) und nun gegen Irland. Der Tottenham-Legionär war mindestens an fünf der sechs Gegentreffer sehr direkt beteiligt. Er ist von Schuld freizusprechen, schließlich hat er etwas ganz anderes gelernt, aus einem Skispringer wird auch kein Schwergewichtsboxer. Koller erklärte das Experiment indirekt für beendet.

Alessandro Schöpf wurde gegen Irland an den rechten Flügel gestellt. Dabei sieht ihn Koller, sieht sich Schöpf selbst als zentralen Mittelfeldmann, als Zehner. Marcel Sabitzer nahm diese Position ein. Kollers Begründung: "Schöpf spielt bei Schalke rechts und schießt Tore, Sabitzer ist eher der Mittelstürmer." David Alaba ist bei Bayern München der linke Außenverteidiger, der Wimmer. Was für Schöpf gilt, gilt für Alaba offensichtlich nicht. Aber diese Diskussion lähmt Koller.

Die Kicker selbst sind nicht mehr in der Lage, ihre Ratlosigkeit zu verbergen. Marko Arnautovic, erneut einer der Besten, was im konkreten Fall relativ war, sagte: "Wir fanden keine Lösungen." Irland stand tief, verteidigte resolut, setzte in der 48. Minute den entscheidenden Konter, den James McClean vollendete. Das reichte. Teamchef Martin O'Neill tröstete die Verlierer. "Sie haben nach wie vor eine Chance, die Gruppe wird eng bleiben. Wir haben noch eine Million Meilen zurückzulegen."

Bei der ÖFB-Auswahl sind es ungefähr fünf Millionen. Arnautovic: "Jetzt wird geschrieben, dass wir sinnlos und nutzlos sind. Aber wir arbeiten weiter, schauen, dass wir Punkte sammeln." Kapitän Julian Baumgartlinger lehnt Hoffnungslosigkeit ab. "Wir müssen die Automatismen herstellen, an den Rädchen drehen." David Alaba, der erneut die Erwartungen deutlich untertroffen hat, fiel Folgendes ein: "Wir müssen uns zusammenraufen, noch enger zusammenrücken."

Am Dienstag wird gegen die Slowakei geprobt. Das Happel-Stadion wird recht leer sein, das Match ist trotzdem nicht so unnötig wie ein Kropf. Koller kann experimentieren. Christian Fuchs wird offiziell verabschiedet. Louis Schaub, Schöpf und Michael Gregoritsch wurden zur U21 geschickt, die in Albacete gegen Spanien das EM-Playoff bestreitet. Das Hinspiel brachte ein 1:1. Dieses Experiment könnte klappen. (Christian Hackl, 13.11.2016)