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Wer erbt und wer nicht, vor allem wenn kein Testament vorliegt? Die Regeln wurden nunmehr neu geschrieben.

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Wien – Es ist die größte Rechtsreform seit Jahren – die völlige Neukodifizierung des Erbrechts, die am 1. Jänner 2017 in Kraft tritt. Anders als einige andere Rechtsexperten sieht Martin Schauer, Professor für Zivilrecht an der Universität Wien, keine Nachteile in der Reform, aber sehr wohl einige nicht genutzte Chancen.

So wurde bei der Besserstellung von Lebensgefährten und Pflegenden vor allem "ein gesellschaftspolitisches Signal ausgesandt und den neuen Lebensrealitäten viel besser als bisher Rechnung getragen", sagt der Jurist, der in der ministeriellen Arbeitsgruppe mitgearbeitet hat, im STANDARD-Gespräch. "Aber die Reform trägt auch Züge des österreichischen Kompromisses."

Lebensgefährten, die nicht in einem Testament bedacht werden, erhalten erstmals ein Erbrecht – wenn auch nur für den Fall, dass es keine anderen gesetzlichen Erben gibt. "Das wird selten zum Tragen kommen, weil meist irgendwo Verwandte auftauchen", sagt Schauer. Will man seinen Lebenspartner versorgen, müsse man weiterhin ein Testament erstellen. "Es gibt Staaten, in denen Lebensgefährten deutlich bessergestellt sind." Für sehr positiv hält Schauer jedenfalls, dass der Pflichtteil für Eltern und Großeltern gestrichen wird.

Besserer Schutz für Lebensgefährten

Von mehr praktischer Bedeutung ist die neue Regelung, wonach Lebensgefährten ein Jahr in der gemeinsamen Wohnung bleiben können, auch wenn andere sie erben. Derzeit können sie von einem Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt werden.

Neu ist die Besserstellung von einzelnen Familienmitgliedern, die den Erblasser gepflegt haben. Unabhängig vom Testament haben sie ein Anrecht auf eine Abgeltung der Pflegeleistung in der Höhe des Pflegegeldes. Schauer: "Das ist ein starkes Signal, dass die Pflege in der Familie wirklich wertgeschätzt wird."

Bei kleinen Hinterlassenschaften kann diese Regelung dazu führen, dass für die anderen Erben wenig übrigbleibt. Aber auch das hält Schauer für gut: "Wer eine Leistung vollbracht hat, soll auch mehr bekommen." Die Abgeltung von Pflegeleistungen gilt nur innerhalb eines erweiterten Familienkreises und muss im Streitfall vom Pflegenden nachgewiesen werden. Der Anspruch stehe nicht zu, wenn die Pflege gegen den Willen des Betroffenen erfolgt ist, betont Schauer.

Anders als bisher verlieren geschiedene Ehepartner ihr Erbrecht, selbst wenn sie in einem alten Testament, das nicht verändert wurde, bedacht sind. Das gilt auch für eine aufgelöste Lebenspartnerschaft, wobei die Beweislast, dass diese in die Brüche ging, bei den nutznießenden Erben liegt. "Hier könnte es Konflikte geben", warnt Schauer.

Auszahlung des Pflichtteils

Eine weitere große Änderung betrifft das Pflichtteilrecht. Die Auszahlung von Pflichtteilen – das ist ein Sechstel der Erbmasse für Ehepartner, wenn es Kinder gibt, und ein Drittel aufgeteilt auf diese – kann auf fünf Jahre gestundet werden, in extremen Fällen auf zehn Jahre. Das ist nicht nur für Familienbetriebe wichtig, denen die Liquidität für eine sofortige Auszahlung von bis zu 50 Prozent des Unternehmenswerts fehlt, sondern auch bei geerbten Wohnungen, die sonst rasch verkauft werden müssten.

"Ebenso wichtig ist es, dass wir nun Klarheit haben, dass der Pflichtteil in jeder beliebigen Form abgedeckt werden kann – etwa durch einen Fruchtgenuss", sagt Schauer. Es müsse nur der kapitalisierte Wert der Höhe des Pflichtteils entsprechen. Das gilt auch für vinkulierte, also nicht verkäufliche Gesellschaftsanteile.

Gewünscht hätte sich Schauer noch eine Reform der Testamentsvollstreckung, die in Österreich veraltet sei. In Deutschland etwa könne der Vollstrecker über Jahre hinaus Dinge gestalten, die in Österreich nur Privatstiftungen eingeräumt werden. Auch ein Erbvertrag, durch den sich Ehepartner über den Tod hinaus gegenseitig binden können, wäre vorteilhaft gewesen. "Da hätte es in anderen Ländern Modelle gegeben", sagt Schauer. "Aber insgesamt lässt sich das neue Erbrecht auch international sehen. Wir haben große Flexibilität und gute Gestaltungsmöglichkeiten gewonnen." (Eric Frey, 18.11.2016)