Entwickler des MIT Media Lab hatten die Idee zur Raumaufteilung mit dem Multifunktionsmöbel, das Bett, Kleiderschrank und Schreibtisch in einem ist.

Illustration: Ori

Eine winzige Wohnung, irgendwo in zentraler Lage in New York, Boston oder San Francisco – an einem Ort, an dem die junge Generation der Millennials Probleme hat, eine leistbare Wohnung zu finden: Das einzige Zimmer der Wohnung ist tagsüber Arbeitszimmer mit Schreibtischflächen, wird später zum Wohnzimmer, kommt Besuch, ist es ein Esszimmer für bis zu sechs Leute, nachts wird es zum Schlafzimmer – per Knopfdruck oder per App von unterwegs.

Hasier Larrea Tamayo ist dabei, diese Vision umzusetzen. Mit seinem Spin-off-Unternehmen Ori Systems will er die "Architekturroboter", die er mit Kollegen an einem Institut des Massachusetts Institute of Technologie, dem MIT Media Lab in Boston, entwickelt hat, schon 2017 auf den Markt bringen. "Wir haben daran gearbeitet, wie man Robotik in die Architektur integrieren kann, wie Möbel und Wände neue Eigenschaften bekommen können", erklärt Larrea.

Ori/MIT

Hard- und Softwarekomponenten sollen auf intelligente Weise mit den Nutzern interagieren. Eine neue Welt der intelligenten Wohnumgebungen, Smart Homes, wird seit Jahren angekündigt. Visionen wie jene von Larrea gibt es viele. Das Bild des Kühlschranks, der selbst Milch bestellt, wurde, so überstrapaziert es ist, aber nie ganz Realität.

Das Haus mit hohem Automatisierungsgrad und einer Umgebung, die sich auf Basis von Sensorinformationen oder via App fernsteuern lässt, um den Nutzer mehr Kontrolle und Komfort zu geben oder Energie und Geld zu sparen – es ist alles andere als der Normalfall. Warum eigentlich?

Installation schwierig

Eine Antwort darauf liegt in der Komplexität der Sache. "Der Mensch ist einfach. Was ich nicht sofort auspacke und in Betrieb nehmen kann, ist schwer zu verkaufen", sagt Manfred Tscheligi, der sich am Center for Human-Computer-Interaction der Universität Salzburg und am Austrian Institute of Technology (AIT) mit den Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine beschäftigt.

"Wenn die Gesamtintegration eines Smart Homes nicht schon beim Wohnungsbau mitgedacht wird, wenn nicht Bussysteme eingeplant und Sensorik verbaut wird, wird eine Installation schwierig." Die technischen Möglichkeiten sind da, doch es gilt, sie in Produkte zu gießen, die die Konsumenten auch wirklich haben wollen. Tscheligi: "Im Einrichtungshaus bekomme ich noch keine smarten Möbel."

Das Launch-Video des Ori Systems.
ED TV

Die Akzeptanz von Staubsauger- und Rasenmäherrobotern ist hingegen hoch. "Klar, weil sie halbwegs ausgereift sind und als Konsumgüter funktionieren", sagt Tscheligi. Das smarte Zuhause ist aber kein klar abgrenzbares Produkt, kein Problem, das einer Lösung bedarf. Es antwortet auch nicht wie die Unterstützungssysteme für ältere oder pflegebedürftige Menschen auf eine offene gesellschaftliche Frage.

Dass bestehende Lösungen durch ihre Komplexität unattraktiv für Endverbraucher sind, sieht auch Simon Hönegger, Gründer des Wiener Start-ups Guh. "Der durchschnittliche Nutzer ist schnell überfordert. Kauft er zehn smarte Produkte, hat er dann auch zehn Apps dazu am Handy, mit denen er sie steuern kann", erklärt der Entwickler.

Ein Hardwareprojekt seines Unternehmens, das 2017 Wirklichkeit werden soll, zielt auf größtmögliche Einfachheit ab: Mit Guh Tune soll das smarte Zuhause so einfach wie die Betätigung eines Lichtschalters sein. Verschiedene Raumstimmungen können damit abgespeichert und nach Bedarf abgerufen werden. Für einen Fernsehabend dimmt sich dann auf Knopfdruck das Licht, die Jalousien fahren herab, Mediacenter und Heizung springen an. Das Betriebssystem GuhIO, das Hönegger und Kollegen entwickelt haben, soll möglichst viele smarte Geräte einbinden.

Sprachgesteuerte Möbel

MIT-Forscher Larrea richtet sich mit seinen Robotikmöbeln, die sich mühelos transformieren, dagegen noch nicht an Endverbraucher, sondern an Immobilienentwickler. Sein System ist so ausgelegt, dass verschiedene Module, Funktionen und Finishes gewählt werden können. Und auch die Software ist erweiterbar. "Wie bei einem Mobiltelefon kann man Apps downloaden, um die Basisfunktionen zu erweitern", erklärt der Entwickler. Man werde sich etwa eine App herunterladen können, um seine Möbel per Sprachsteuerung dirigieren zu können.

Die Sprachsteuerung kommt auch mit den virtuellen Assistenten von Google Home und Amazon Echo ins Haus. Man kann damit auf Zuruf Musik und Bildschirminhalte dirigieren, Kalender führen oder Pizza bestellen – und stillt auf diese Art nebenher auch den Datenhunger der IT-Konzerne. Technik, die zu einem Wohlgefühl der Gemeinschaft beiträgt, könnte in Zukunft aber noch viel weiter gehen, ist Tscheligi überzeugt.

"Im Idealfall helfen mir die versteckten Assistenzsysteme einer Ambient Intelligence automatisch dann, wenn ich sie brauche, obwohl es mir selbst vielleicht gar nicht bewusst ist." Oberflächlich werde sich vielleicht nicht viel ändern. "Autos haben seit 100 Jahren ein Lenkrad, unter der Haube hat sich aber einiges geändert", sagt Unternehmer Hönegger. "Die Dinge sollen einfach tun, was wir von ihnen erwarten. Die beste Benutzerschnittstelle ist: gar keine."

Information und Sicherheit

Die intelligente Umgebung könnte einspringen, wenn man die Autoschlüssel nicht findet oder einem ein Kochrezept nicht mehr einfällt. Sie könnte warnen, dass Leitungen ausgetauscht gehören, weil ein Wasserrohrbruch bevorsteht, oder die Bewohner zu sportlicher Betätigung motivieren. Es gebe sogar ein Projekt, das Wohnraumsensorik verwendet, um Autismus bei Kindern frühzeitig zu erkennen, so Tscheligi. Und man könne auch darüber nachdenken, wie die smarte Umgebung auf Gewaltakte reagiert, die in der Wohnumgebung vorfallen.

Die Sprachsteuerung der Umgebung ist für den Schnittstellenforscher allerdings ein zweischneidiges Schwert. "Sprachsysteme haben ein Akzeptanzproblem. Viele fühlen sich bei dem Gedanken, mit einer Maschine zu reden, nicht wohl." Für ihn liegt die Zukunft in der Multimodalität: Mehrere Interaktionsmöglichkeiten werden sich ergänzen. Läutet das Telefon während des Kochens, kann man vielleicht mit einer Geste stumm schalten. Anstelle klassischer Bildschirme könnten Tische, Wände, Ablageflächen Interaktionsmöglichkeiten bereithalten.

Und dann sind da noch die Roboter. Wird der Androide als Butler Realität? Auch in unseren Breiten, wo die Affinität zu Robotern viel geringer ist als etwa in Japan oder Korea? "Ich glaube durchaus, dass die Menschen Akzeptanz aufbringen können. Die Frage ist, wie sie verpackt sind und welches Rollenverhalten, welche 'Persönlichkeit' ihnen gegeben wird", sagt Tscheligi. "Wie beim Rasenmäherroboter muss allerdings ein eindeutiger Nutzen da sein.

Auch die robotischen Möbel Larreas haben einen klaren Nutzen: Sie werden ab nächstem Jahr kleine, günstige Garçonnièren in guten Lagen mit dem Funktionsumfang einer Dreizimmerwohnung versehen. "Man kann es so sehen, dass die Innenarchitektur zu einem Computer wird", sagt der MIT-Forscher. (Alois Pumhösel, 28.2.2017)