Der Ärztekittel könnte bald in der Garderobe hängen bleiben: Wiens Ärzte sind verärgert über Maßnahmen, die im Finanzausgleich festgeschrieben worden sind.

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Wien – Die im Finanzausgleich paktierte Reform des Gesundheitswesens sorgt für Proteste der Ärzte – und eine erneute Streikdrohung aus Wien. Dort hat die Ärztekammer nun beschlossen, Maßnahmen bis hin zu einem einwöchigen Generalstreik umzusetzen, wie sie am Mittwoch mitteilte.

Dem Beschluss liegt eine Resolution zugrunde, die ebenfalls vom Vorstand der Kammer mehrheitlich abgesegnet wurde. Darin wurde festgehalten: "Die Art.-15a-Vereinbarung und die dazugehörigen Umsetzungsgesetze, die im Ministerrat am 15. November 2016 beschlossen wurden, werden von der Ärztekammer für Wien vehement abgelehnt." Mit den Maßnahmen habe die Regierung einen "völligen Ausschluss des ärztlichen Sachverstands bei der Gesundheitsplanung in die Wege geleitet". Nunmehr würden Gesundheitsbürokraten die Gesundheitsversorgung entwerfen.

Warten auf Garantien

Abgelehnt wird auch, dass die Versorgung künftig durch "gewinnorientierte Konzerne" statt durch freiberufliche Ärzte erfolgen solle. Zudem habe die Regierung beschlossen, die Finanzierungssteigerungen im Gesundheitswesen, im Gegensatz zu allen anderen Gesellschaftsbereichen, zu deckeln – und das mit einem niedrigeren Prozentsatz. Dadurch würden dem Gesundheitssystem insgesamt 4,6 Milliarden Euro entzogen: "Das ist eine massive Gefahr für alle Patientinnen und Patienten in Österreich."

Die Kammer will die "Beschwichtigungen der Regierung" nicht akzeptieren und verlangt Garantien, dass diese Gefährdungen nicht eintreten. "Für den Fall, dass solche Garantien im Zuge der parlamentarischen Beschlussfassung nicht gegeben werden, hat der Vorstand der Ärztekammer für Wien beschlossen, das Präsidium zu ermächtigen, Kampfmaßnahmen bis hin zu einem ärztlichen Generalstreik zu beschließen", heißt es.

Dass Streikdrohungen aus der Wiener Kammer keine leere Drohung sind, hat sich im September gezeigt. Mit einem mehrstündigen Streik und einer Demonstration auf dem Stephansplatz machten die Ärzte damals ihrem Ärger über Arbeitszeitregelungen im städtischen Krankenanstaltenverbund (KAV) Luft.

Niederösterreichs Ärzte starten Volksbegehren

Auch die niederösterreichische Ärztekammer ist empört. Sie initiiert gegen die beim Finanzausgleich vereinbarte "Demontage des Gesundheitssystems" ein österreichweites Volksbegehren. "SOS Medizin" starte am Mittwoch, kündigten Präsident Christoph Reisner und Vizepräsident Gerrit Loibl an, Unterstützungserklärungen sind bis 28. Februar möglich. Von den bevorstehenden Änderungen seien sowohl Patienten als auch Ärzte betroffen, daher werde das Volksbegehren eingeleitet. Gefordert werden der Erhalt ärztlicher Einzelordinationen und Gruppenpraxen, die Begrenzung der Arbeitszeit für Spitalsärzte, die Erstattung von Wahlarzthonoraren und die Niederlassungsfreiheit für Wahlärzte sowie die direkte Medikamentenabgabe durch den Arzt. Letzteres verärgert die Apotheker. "Medikamente gehören in die Apotheke. Eine direkte Medikamentenabgabe durch den Arzt wird kategorisch abgelehnt", teilte die Interessenvertretung mit – und lehnt das Volksbegehren ab.

Die Ärztevertreter Reisner und Loibl weisen auch darauf hin, dass gemäß der zentralen Gesundheitsplanung "kleinteilige Organisationsformen" künftig durch zentrale Betreuungseinrichtungen ersetzt werden könnten. Sollten zusätzliche Leistungen aus Ordinationen in Spitalsambulanzen verlagert werden, wäre eine Aufweichung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes nötig. Das müsse verhindert werden.

Gesundheitsministerium weist Kritik zurück

Das Gesundheitsministerium hat die Kritik der Ärztekammer an den im Zuge des Finanzausgleichs vereinbarten Reformen im Gesundheitswesen entschieden zurückgewiesen. Sektionschef Clemens Martin Auer betonte, dass die Ärztekammer weiter in die Planungen eingebunden sei und dass im öffentlichen Gesundheitswesen nicht eingespart sondern bis 2021 um 4,65 Milliarden Euro mehr ausgegeben werde.

Auer stellte klar, dass die von der Ärztekammer abgelehnten Einzelverträge für die Primärversorgungseinheiten schon lange kein Thema seien und sich Ärztekammer und Sozialversicherung einen neuen Gesamtvertrag untereinander ausmachen werden. Zu den Drohungen der Ärztekammer bis hin zu einem Generalstreik stellte der Sektionschef fest: "Ohne Ärztekammer geht es nicht". Die Ärztekammer sei "herzlichst eingeladen, wieder an den Tisch der rationalen Gespräche zurück zu kommen." Gleichzeitig warf Auer der Kammer vor, nicht nur Patienteninteressen, sondern auch Standesinteressen zu vertreten. Man werde jedoch "wieder eine vernünftige Gesprächsebene finden müssen". Und das werde auch geschehen, zeigte sich der Sektionschef überzeugt. (APA, 16.11.2016)