Bild nicht mehr verfügbar.

Die New Yorker Hip-Hop-Formation A Tribe Called Quest bei einem Konzert 2013. Ihr Album "We Got It from Here ... Thank You 4 Your Service" schließt an alte Großtaten an.

Foto: Getty Images / Dave Kotinsky

Wien – Zu Beginn ihrer Karriere wirkten sie wie Verwandte des Hausherrn in der Bill Cosby Show. Kids, denen die Pubertät zusetzte und die sich deshalb Hip-Hop zuwandten, aber eigentlich nette Jungs aus der Hood waren. Bill Cosby hat es verhaut und versaut, und A Tribe Called Quest waren natürlich keine seiner Anverwandten. Doch im Vergleich zum gängigen Gangstergebell des Hip-Hop zu Beginn der 1990er waren sie eine geistvolle Ausnahme.

Nicht wenige Alben jener Zeit eröffneten mit Polizeisirenen und Schüssen. Das sollte Street-Credibility signalisieren, die Härte des Lebens im Urban Jungle umreißen, galt als Gütesiegel. Als A Tribe Called Quest (ATCQ) 1990 mit People's Instinctive Travels and the Paths of Rhythm debütierten, war vor dem ersten Track das Weinen eines Babys zu hören. Nasse Windeln vielleicht, nichts Schlimmes. Dann setzte ein Beat ein, verschlurft, ein Jazzpiano hob an, ein cooler Bass. Das ergab einen Groove, war sexy und cool, die Texte "verbal", ohne geschwätzig zu sein. Nicht einmal für einen Warnhinweis wegen "Explicit Lyrics" hat es gereicht, dennoch oder deshalb sollte das Album ein Klassiker werden.

Yanis Madafaka

18 Jahre später

18 Jahre nach ihrer Trennung 1998 haben sie jetzt ein neues Album veröffentlicht. Es ist ihr letztes, denn Malik Taylor alias Phife Dawg ist im März dieses Jahres 45-jährig an Komplikationen mit seiner Diabeteserkrankung gestorben. Ihm verdankt das Album seinen Titel, es heißt: We Got It from Here ... Thank You 4 Your Service.

A Tribe Called Quest verliehen Hip-Hop eine Sinnlichkeit, deren Fantasie nicht bei Gangbang-Glorifizierungen und Forderungen nach "head" verendete. Der Vierer, Freunde seit Kindheitstagen und kaum 20 Jahre alt, erwies sich als versiert im Jazz und sampelte ungestraft die Beatles und Lou Reed. Klare Indizien dafür, dass ATCQ "outside the box" dachten und arbeiteten.

Der Tribe landete mit Can I Kick It? einen kleinen Hit und schüttelte mit Luck of Lucien oder I Left My Wallet in El Segundo ein paar Instantklassiker aus den Ärmeln. Schon ihr Einstand bescherte der aus dem New Yorker Stadtteil Queens kommenden Gruppe eine ergebene Fangemeinde.

Eleganz statt Klimbim ...

Verortet war sie im Conscious Rap der Native Tongues, einer losen Vereinigung ähnlich orientierter Rap-Formationen wie De La Soul oder der Jungle Brothers, die sich auferlegt hatten, den erlebten Alltag in ihrer Kunst zu thematisieren und dabei auf zwei- und mehrsilbige Wörter zu setzen.

Ein Jahr später veröffentlichten die zum Trio geschrumpften Q-Tip, Phife und Ali Shaheed Muhammad ein weiteres Meisterwerk: The Low End Theory verschränkte Hip-Hop mit Jazz in nicht wieder gehörter Brillanz. Ron Carters Bassspiel veredelte einige der Tracks, deren Eleganz auf einer Ökonomie fußte, die sich auf Funk, Flow und Groove konzentrierte und auf spektakuläres Klimbim verzichtete.

EverythingHipHop

The Low End Theory zählt zu den besten Alben des Hip-Hop, ist von zeitloser Klasse, was man über wenige Arbeiten des Fachs sagen kann. Diese Kunst beeinflusste das Tun ähnlicher Künstler wie Kendrick Lamar, sogar Großkotz Kanye West begleicht hier eine ewige Schuld. Es folgte das den Ruf zementierende Midnight Marauders, dann fiel die Qualität des Outputs etwas ab, zwei weitere Alben später trennte sich der Tribe. Die Tücken des Erfolgs hatten die Freundschaft erodiert.

In den Nullerjahren kam es zu Reunions, der Festivalzirkus garantierte schnell verdientes Geld. Ein neues Album erschien den Beteiligten aber unrealistisch. Erst 2015 saßen Q-Tip und Phife zusammen, therapierten sich und beschlossen, es sei an der Zeit. Kurz vor der Fertigstellung von We Got It from Here ... starb Phife, doch auf sein Erbe könnte er stolz sein. Die Gästeliste des Albums beinhaltet Namen wie Busta Rhymes (ein alter Freund), Elton John (kein Irrtum), Jack White, Kendrick Lamar, André 3000 von Outkast und ein paar mehr.

Zu viele Köche, heißt es, verderben die Köchin. Doch es zählt zur Qualität des Albums, dass diese kaum wahrnehmbar sind. ATCQ schmücken sie, nicht umgekehrt. Außerdem war während der Aufnahmen schnell von der alten Magie die Rede, die alle ergriffen haben soll, als sie im Studio von Q-Tip nach all den Jahren wieder zusammengefunden hatten.

... Hirn statt Hose

We Got It from Here ist ein politisches Album. Eine Arbeit von Erwachsenen, die den Gang der Welt mit Sorge betrachten. Das Phantom Trump geistert durch die Tracks. Diese bestechen mit vertrauter Eloquenz, die nicht von technisch hochgerüstetem Unfug verstellt ist. Ein Track wie Enough!!! zitiert dasselbe Sample, das sie 1990 verwendet haben – altbacken klingt es nicht.

TribeCalledQuestVEVO

Träge Eleganz hält sich mit Uptempo-Tracks wie dem kämpferischen We the People die Waage, die Raps kommen aus dem Hirn und nicht aus der Hose, die Basslines sind Sex für die Ohren. Ein Album wie dieses besäße das Potenzial, das Erbe der Gruppe anzupatzen, doch das Gegenteil ist der Fall: A Tribe Called Quest zeigen noch einmal, wie's geht. (Karl Fluch, 17.11.2016)