Ärzte wollen wieder protestieren. Sie fürchten Einsparungen, doch auch Machtverlust ist ein Motiv.

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Frage: Die Ärztekammer kündigt Proteste an. Schon wieder?

Antwort: Diesmal richtet sich der Widerstand der Kammer gegen die Gesundheitsreform und die im Zuge des Finanzausgleiches vereinbarten Kostenziele. Laut Plan müssen die Wachstumsraten in den kommenden Jahren sinken – von 3,6 Prozent 2017 auf 3,2 Prozent im Jahr 2021. In absoluten Zahlen werden somit bis 2021 4,65 Milliarden Euro mehr ausgegeben, argumentiert das Gesundheitsministerium. Die Standesvertretung und einige Länderkammern vermuten hingegen ein drastisches Sparprogramm. Im Vergleich zu ursprünglich angenommenen Wachstumsraten hat die Wiener Kammer einen Sparumfang von 4,5 Milliarden errechnet.

Frage: Was ist an den Vorgaben neu?

Antwort: Die Rechtsverbindlichkeit gilt nicht mehr nur für den Spitalsbereich, sondern auch für niedergelassene Ärzte. Bisher waren die Vorgaben aus den zwei Steuerungsinstrumenten der Gesundheitsreform nur schön formulierte Wünsche. Der Bund hat aber jetzt Verbindlichkeiten gefordert: Im Österreichischen Strukturplan werden allgemeine Richtlinien festgehalten, wo etwa Epidemien oder seltene Erkrankungen behandelt werden. Im Regionalen Strukturplan (RSG) wird festgelegt, wie viele Ärzte in einer Region benötigt werden.

Frage: Was stört die Ärzte daran?

Antwort: Die Entscheidungshoheit – sie fühlen sich übergangen, weil sie bei der regionalen Planung nicht eingebunden sind. Dafür sind Bund und Länder zuständig.

Frage: Kann man dabei auf die Expertise der Mediziner verzichten?

Antwort: Der RSG wird auf Basis von Daten wie Alter, Pendlern und Krankheiten kalkuliert. "Es ist kein Staatsplanungsinstrument", sagt der Sektionschef des Gesundheitsministeriums, Clemens Martin Auer. Es geht nicht um Standorte und Organisationsformen wie Primärversorgungseinheiten oder Einzelordinationen. Bei der Planung werden sehr wohl medizinische Fachgesellschaften einbezogen, doch eben nicht die Kammer. Eine andere Baustelle ist der Stellenplan – dort geht es wirklich um die Vertragsärzte. Dieser wird nach wie vor von Krankenkassen und Kammer ausgetüftelt.

Frage: Trotzdem: Warum ist die Kammer im Alarmmodus?

Antwort: Neben dem Sparvorwurf vermutet die Kammer einen "völligen Ausschluss des ärztlichen Sachverstandes bei der Gesundheitsplanung". Die Finanzzielsteuerung ist aber ein wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsreform, in der auch die Primärversorgung neu geregelt wurde. Dafür hat der Finanzminister 200 Millionen Euro zugesagt.

Frage: Protestieren sie gegen die Primärversorgung?

Antwort: Nein, sie sprechen sich immer wieder für den Ausbau der Primärversorgung aus, wollen aber nicht, dass der klassische Hausarzt gegenüber den Primärversorgungseinheiten (PHC), wo mehrere Ärzte mit anderen Gesundheitsberufen zusammenarbeiten, benachteiligt wird. Außerdem stellen sie sich gegen ein Gesetz. Wobei ihr größter Kritikpunkt, Einzelverträge zwischen den PHC-Einheiten und der Sozialversicherung, längst nicht mehr angedacht sei, sagt Auer. Macht ist dabei kein unwesentliches Motiv. Die Standesvertretung fürchtet, Einfluss zu verlieren, und sowohl Bund, Länder als auch Sozialversicherungen wollen nicht nachgeben.

Frage: Und die Patienten?

Antwort: Für die ändert sich vorerst nichts. Außer die Standesvertreter machen ihre Drohung wahr. Oberösterreich und die Steiermark wollen den Gesamtvertrag kündigen, das würde bedeuten, dass die Patienten ihre Arztrechnungen vorschießen müssen. Und die Wiener Kammer ruft alle niedergelassenen Ärzte zu einem Generalstreik auf – für eine Woche.

Frage: Warum ist die Planung wichtig?

Antwort: Eines ist allen Beteiligten bewusst. Es wird weniger Mediziner geben, da 2025 rund 60 Prozent aller Hausärzte das Pensionsalter erreichen. Deshalb ist "Feuer am Dach" – hier ist auch das Gesundheitsministerium alarmistisch. (Marie-Theres Egyed, 16.11.2016)