Auf den Lofoten hoffen Kreuzfahrtpassagiere im Winter Polarlichter zu sehen.

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Die Hoffnung ist nicht unberechtigt: Nordlichter sind auf der nordnorwegischen Inselgruppe zwischen Oktober und März häufig.

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Die Jagdsaison ist eröffnet. Wie in jedem Winterhalbjahr. Dann reisen sie wieder an, die Wikinger der Neuzeit. Aus allen Teilen Europas versammeln sie sich am Hurtigruten-Terminal in Bergen, um mit einem der elf rotweißen Schiffe in See zu stechen. Als Waffen tragen sie weder Schilde noch Äxte, um Norwegens Küste zu erobern, sondern empfindliche Fotoapparate mit japanisch klingenden Namen, zusammengeschraubt in China.

Sie sind auf der Pirsch nach dem grünen Licht, folgen dem Schlachtruf: "Hunting the Lights". Längst ist das geenterte Schiff kein Langschiff mit Rudern mehr, sondern eines wie die 2002 in Norwegen gebaute Finnmarken, die im Regeldienst mit ihren zwölf Schwesternschiffen 67 Häfen ansteuert. Von Bergen im Süden des Landes bis zum Nordkap, weiter bis Kirkenes nahe der russischen Grenze und wieder zurück.

Milchgrauer Mantel

"Licht war in der Mythologie der Wikinger etwas sehr Wichtiges. Sie hatten Angst, dass nach den dunklen Wintermonaten, in denen nur noch Mond, Sterne und Polarlichter mit ihrem kalten Licht ohne Wärme den Tag erhellen, die Sonne nicht mehr zurückkehrt", erklärt Bordreiseleiterin Viana: "Sollte dies geschehen, kommt es zum Ragnarök, dem Kampf der Götter und Riesen in dessen Folge die Welt untergeht." Der Weltuntergang scheint unausweichlich, denn für die nächsten Tage lautet die Wettervorhersage: Regen und Schnee. Himmel und Landschaft haben sich in einen gespenstisch wirkenden milchgrauen Mantel gehüllt.

Bis zum Abend, wenn das Polarlicht am besten zu sehen sein soll, vertreiben sich die modernen Wikinger die Zeit mit Landausflügen. Zum Beispiel in der Jugendstil-Stadt Ålesund am Golfstrom. Nach einer Feuerbrunst im Jahr 1904 verbrannten innerhalb von 16 Stunden 850 Häuser bis auf die Grundmauern. Drei Jahre später war die Stadt wieder aufgebaut. Junge norwegische Architekten setzten Impulse für das neue Norwegen, das 1905 von Schweden unabhängig wurde. Zurück an Bord, kommt Regen auf.

Am dritten Tag der Reise schält sich Trondheim aus der Nebelwand. Die Sonne versucht, die Wolken zur Seite zu schieben. Doch es fehlt ihr die Kraft. Den "Jägern des Lichts" schwindet der Mut. Die Schiffsleitung verbreitet Optimismus: An der Rezeption werden Handzettel verteilt. Sie geben Tipps, wie die Polarlichter am besten zu fotografieren sind. "Kamera auf einen hohen ISO-Wert, Verschlusszeit auf 10 bis 30 Sekunden einstellen", erklärt Robert aus Linz drei hilflos dreinschauenden Hamburgerinnen: "Den Selbstauslöser benutzen. Den manuellen Fokus auf unendlich." Die Hamburgerinnen entschwinden Richtung Panoramasalon. Robert hofft derweil die Theorie endlich in die Praxis umsetzen zu können. Doch bei dichtem Schneetreiben und eisiger Kälte lässt er auch diesen Abend statt an der Reling in der Bar ausklingen.

Opfer bringen für die Sonne

Am Nachmittag des nächsten Tages nimmt MS Finnmarken Kurs auf die Lofoten, wo die Nordlichter am schönsten sein sollen. Es schneit unaufhörlich. Aber die Lichtjäger lassen nichts unversucht. Einige von ihnen verlassen in Stamsund das Schiff, um an einem Jølblot im Wikinger-Museum in Borg teilzunehmen.

"Jølblot ist eine Opferzeremonie, um die Götter wohlwollend zu stimmen, damit sie die Sonne zurückbringen. Die Feierlichkeit fand immer am dunkelsten Tag des Jahres statt", erzählt der Museumsleiter Olav: "Das ist nach unserem heutigen Kalender der 21. Dezember." Die von weit her angereisten Gäste sitzen in einem länglichen Raum, der nur durch wenige Kerzen beleuchtet ist. In der Mitte brennt ein Feuer. Aus dem Dunkeln taumelt eine hexenähnliche Gestalt. In der Hand schwenkt sie eine Art Weihrauchkessel und murmelt Unverständliches in das um ihren Kopf geschwungene Leinentuch. Schließlich kippt sie den Inhalt des Gefäßes ins Feuer, das mit einer zischenden Flamme auflodert.

Nach Beendigung der Zeremonie laden der Museumsleiter und seine Frau die Gäste ein, von Lofoten-Lamm und Mjod, einem Honigwein, zu kosten. Mit viel Met und Skål (Zuprosten) sollen die Götter gnädig gestimmt werden, damit sie den Himmel endlich aufklaren lassen.

Vorübergehendes Wunder

Und das Wunder geschieht. Während der Rückkehr zum Schiff zeigt sich über der kleinen Kirche von Svolvær im Zentrum der Lofoten ganz schemenhaft das erste Nordlicht. So schnell wie das Schiff vor zwei Stunden verlassen wurde, wird er jetzt gestürmt, um den besten Platz auf dem Außendeck zu bekommen. Da ist das zaghafte Grün schon wieder verschwunden. Nur das gelbliche Licht der Stadt beleuchtet die schneebedeckten Berge.

Doch ein Jäger kann warten. 20 Minuten später im schmalen Trollfjord zeigt Odin endlich Mitleid mit den Passagieren, die Lichtinstallation beginnt. Wie wehende, grüne Vorhänge schweben die Polarlichter über den Himmel. Robert und alle anderen Jäger des Lichts knipsen und experimentieren bis die Chipkarten glühen oder Akkus in der Kälte streiken. Nur eine der drei Hamburgerinnenhat es aufgegeben, die Aurora borealis zu fotografieren. Sie findet nicht die richtigen Einstellungen.

Also beherzigt sie den wichtigsten Satz aus den Ratschlägen über die Polarlichtfotografie: "Erleben Sie die Schönheit des Nordlichts zuerst mit Ihren Augen und dem Herzen, bevor Sie es durch das Objektiv der Kamera tun." (Dagmar Krappe, 23.11.2016)