Das hat Europa gerade noch gefehlt: Kaum der Finanzkrise entwichen, wachsen die Befürchtungen, die Eurozone könnte neuerlich in arge Turbulenzen schlittern. Deutlicher Gradmesser der Nervosität: In den Südländern sind die Renditen auf Staatsanleihen in den letzten Monaten stark gestiegen, seit dem Wahlsieg von Donald Trump hat sich der Aufwärtstrieb beschleunigt. Investoren werfen Schuldverschreibungen auf den Markt, wodurch die Kurse fallen und Zinsen steigen.

In Italien und Portugal haben sich die Renditen in den letzten drei Monaten in etwa verdoppelt. Beide Staaten laborieren an einer Staatsverschuldung von rund 130 Prozent der Wirtschaftsleistung und an einem angeschlagenen Bankensystem. Rom macht zudem die politische Unsicherheit wegen des Verfassungsreferendums am 4. Dezember zu schaffen, mit dem auch das Schicksal der Regierung von Matteo Renzi verknüpft sein dürfte.

EZB-Anleihenkäufe wirken dämpfend

Auffällig ist, dass die Zinsen in der Europeripherie deutlich stärker gestiegen sind als in Deutschland. Der Abstand portugiesischer zu deutschen Renditen hat sich bei zehnjährigen Staatsanleihen auf 3,5 Prozentpunkte erhöht. Analysten weisen darauf hin, dass der Anstieg trotz der umfangreichen Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank erfolgt, der sich dämpfend auf die Zinsen auswirkt. Und das, obwohl sich die Inflationserwartungen in der Eurozone – im Unterschied zu den USA– nicht geändert haben, wie die Erste Bank in einer Analyse festhält.

Eine Beschleunigung der Entwicklung droht, sollte in Frankreich Marine Le Pen an die Macht gekommen. "Derzeit wird das Aufflammen einer neuen Eurokrise nur befürchtet. Wenn Le Pen gewinnt, haben wir eine", ist Thomas Neuhold von der Bank Gutmann überzeugt. Le Pen macht sich für einen EU-Austritt Frankreichs stark. Besser läuft es hingegen in Spanien, wo die Renditen weniger stark gestiegen ist. Niedrigere Schulden und mehr Wachstum als in Italien und Portugal sowie die jüngste Regierungsbildung sorgen für eine gewisse Stabilität.

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Die Eurokrise droht wieder aufzuflackern. Der Abstand italienischer und portugiesischer Zinsen zu deutschen Bonds hat sich deutlich vergrößert. Politische Turbulenzen drohen die Lage deutlich zu verschlimmern.
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Wolfgang Schäuble hat am Freitag die mangelnden Reformen für die Probleme in Europa verantwortlich gemacht. Weltweit stellten hohe Schulden und Liquidität Gefahren dar. "Wenn wir nicht höllisch aufpassen, bewegen wir uns auf die nächste Krise zu", sagte der deutsche Finanzminister bei einer Veranstaltung der Süddeutschen Zeitung.

Italiens Banken im Auge des Orkans

Schon länger mitten drinnen stecken Italiens Banken. Die Talfahrt der Aktienkurse setzt sich unaufhaltsam fort. Bei Unicredit, der Bank Austria Mutter, belaufen sich die Kursverluste seit Jahresbeginn auf 64, bei der Krisenbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) auf 84 Prozent. Grund dafür ist nicht nur die hohe Anzahl der faulen Kredite, die die beiden Banken in ihren Büchern stehen haben. Bei Unicredit sind es 77 Milliarden Euro, bei MPS 50 Milliarden Euro.

Angeblich soll Unicredit nun Rückstellungen von neun Milliarden Euro bilden und MPS 27 Milliarden, Euro an Vermögenswerten ausgliedern, bevor die Kapitalerhöhung startet. Doch derzeit wird spekuliert, dass Investoren für die Anhebung der Kapitaldecke ausbleiben könnten. Unicredit soll eine Kapitalerhöhung von bis zu 13 Milliarden Euro planen, MPS ist auf der Suche nach fünf Milliarden.

Auch die als gut aufgestellt geltende Banca Intesa Sanpaolo hat trotz Dividendenausschüttung von drei Milliarden Euro im laufenden Jahr und Überschusskapitals von bis zu zehn Milliarden Euro empfindliche Kurseinbußen (minus 35 Prozent) seit Jahresbeginn verzeichnen müssen. Vom Kurssturz sind auch die beiden Volksbanken betroffen, Banco Popolare und die Mailänder Volksbank (BPM). Analysten sehen in der Fusion der beiden Institute keinerlei Lösung für deren Krise, ganz zu schweigen von den beiden Volksbanken aus dem Veneto, Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza, die am Rande des Ruins stehen. (Andreas Schnauder, Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, 19.11.2016)