Studierende, die mit einer anderen Geschlechtsidentität als jener, die ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, leben, ziehen im universitären Alltag oft ungewollt Aufmerksamkeit auf sich.

Foto: NaGeH

Nageh fordert, dass man unter dem selbstgewählten Namen, dem "Identitätsnamen", an der Universität studieren oder arbeiten kann – auch wenn er nicht im Reisepass steht.

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Wien – Lena, Flo und Njan leben mit einer anderen Geschlechtsidentität als jener, die ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Aus diesem Grund Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, versuchen sie zwar zu vermeiden – im universitären Alltag ist das allerdings nicht immer möglich. Sie berichten von "Zwangsoutings" in Seminaren und bei Servicestellen.

Daher engagieren sie sich bei der Hochschulgruppe Nageh, die Abkürzung steht für "Mein Name, mein Geschlecht, meine Hochschule". Die seit Herbst 2015 aktive Gruppe setzt sich österreichweit an Unis für die Sichtbarmachung von transgender, intergeschlechtlichen und nichtbinären Studierenden ein und gegen die "strukturelle Gewalt an den Hochschulen" gegen diese Personen.

Rund 25 Studierende engagieren sich in der Gruppe, die von der Bundesvertretung der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) unterstützt wird. ÖH-Vorsitzende Lucia Grabetz, die im Impressum der Nageh-Website als Vertretungsbefugte angeführt ist, spricht von einer "Kooperation von Nageh und ÖH". Die Gruppe werde sowohl durch zur Verfügung gestellte Infrastruktur als auch finanziell unterstützt. Obwohl sich einige Personen aus dem feministischen Referat und dem Queer-Referat der Bundesvertretung bei Nageh engagieren, arbeitet die Gruppe eigenständig und erreicht laut eigenen Angaben auch Personen abseits der Universitäten.

Worum geht es? Während sich die Bezeichnungen Homo- und Bisexualität auf die sexuelle Orientierung beziehen, bezeichnen Transgender und Intergeschlechtlichkeit die Geschlechteridentität.

Intergeschlechtliche Menschen entsprechen durch angeborene genetische, anatomische oder hormonelle Geschlechtsmerkmale nicht den Geschlechtsnormen von Mann und Frau. Eine Transgender-Person identifiziert sich nicht mit dem ihr bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht. Manchmal unterziehen sich Transgender-Personen auch körperlichen Veränderungen durch die Einnahme von Hormonen oder durch operative Eingriffe. Für beide Begriffe existieren die Pendants "intersexuell" sowie "transsexuell", die jedoch als veraltet gelten. Sie suggerieren einen – im Deutschen – irreführenden Zusammenhang von Identität mit Sexualität. "Nichtbinär" fungiert als Sammelbegriff für all jene, deren Identität nicht eindeutig einem der beiden von der Gesellschaft angebotenen Geschlechter entspricht.

Selbstgewählter Name

Generell ist das universitäre Umfeld zwar eines, das gegenüber verschiedenen Geschlechteridentitäten aufgeschlossener ist als andere Bereiche, dennoch sieht Nageh Handlungsbedarf. Wie sich die Geschlechteridentität auf den Studierendenalltag auswirkt, wird an den Erzählungen der Betroffenen klar. Flo studiert Psychologie, Njan Japanologie und Gender-Studies an der Universität Wien. Vor jedem Kurs schreiben die beiden dem Lehrveranstaltungsleiter ein Mail, dass der Name im Onlinesystem der Uni nicht der richtige sei und welche Pronomen sie verwenden. "Für den Rest des Semesters bist du dann die Trans-Person", sagt Njan.

Als ersten Schritt fordert Nageh daher, dass man unter dem selbstgewählten Namen, dem "Identitätsnamen", an der Universität studieren oder arbeiten kann – auch wenn er nicht im Reisepass steht. Der Name vom Dokument soll lediglich dort aufscheinen, wo es unbedingt nötig ist. Bisher konnte diese Forderung nicht durchgesetzt werden: "Seit einem Jahr sind wir im Gespräch mit der Zulassungsstelle an der Universität Wien. Aber es passiert nichts", sagt Njan. "Wir werden immer vertröstet, und es heißt: Es geht nicht so schnell." Aus dem Rektorat der Uni zeigt man sich auf Anfrage des UniSTANDARD aufgeschlossen: "Wir wollen den administrativen Umgang so leicht als möglich gestalten." Man werde prüfen, was im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten umsetzbar ist.

Durch die gegenwärtige Praxis, bei der Inskription das Geschlecht männlich oder weiblich ankreuzen zu müssen, fühlt sich die Gruppe ebenfalls diskriminiert. Auch dafür will die Universität Wien eine bessere Lösung prüfen.

Allianzen schmieden

Der Außenseiterrolle würden nicht alle standhalten, erzählen Lena, Flo und Njan. Viele würden sich semesterlang nicht mehr trauen, auf die Uni zu gehen. Auch die Jobsuche erweise sich für transgender, intergeschlechtliche und nichtbinäre Studierende oftmals äußerst schwierig. Lena, die Kultur- und Sozialanthropologie an der Uni Wien studiert, wurde etwa bei einem Vorstellungsgespräch gefragt, welchen medizinischen Eingriffen sie sich unterzogen hätte: "Das war vollkommen irrelevant, weil ich bei einem Bürojob wohl kaum meine Genitalien verwenden werde."

Auch bei Ärzten müsse man sich unpassenden Befragungen unterziehen: Nicht selten komme es vor, dass man nach sexuellen Praktiken gefragt werde, obwohl das keinen Zusammenhang mit der Behandlung hat. Darum wollen sie dorthin gehen, wo Ärzte ausgebildet werden, und Kontakte auf Medizin-Unis knüpfen.

In den vergangenen Jahren gab es auch Erfolge, meint Njan. Es werden Allianzen geschmiedet, selbst wenn alle Diskriminierungserfahrungen haben, unterscheiden sich die Probleme. Wie viele Studierende es gibt, die sich als transgender, intergeschlechtlich oder nichtbinär identifizieren, kann man nicht seriös beantworten. Njan: "Woher sollten auch Zahlen kommen, wenn es uns offiziell gar nicht gibt?" (Vanessa Gaigg, 22.11.2016)