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Mostar gilt als eine der schönsten Städte Bosniens.

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Mädchen in langen weißen Kleidern sangen Lieder. Politiker verbeugten sich vor Kränzen und Kerzen, die in den Farben der kroatischen Nationalflagge geschmückt waren. Vergangene Woche feierten nationalistische Kroaten in Mostar den 25. Jahrestag der Ausrufung der Kroatischen Republik Herceg-Bosna.

Am 18. November 1991 hatte der Nationalist Mate Boban ein Gebiet in der Westherzegowina, das vorwiegend von Katholiken besiedelt ist, zu einer eigenständigen politischen Einheit ausgerufen. Ziel der Nationalisten war es, dieses Gebiet später an die Republik Kroatien anzugliedern. Am 6. Mai 1992 traf Boban sogar den damaligen Präsidenten des ebenfalls "ethnisch" definierten Parastaats Republika Srpska, Radovan Karadžić, um mit ihm die Zweiteilung von ganz Bosnien-Herzegowina zu besprechen. Es kam anders. Ein Jahr nach Kriegsende, im Jahr 1996, wurde die Republik Herceg-Bosna offiziell aufgelöst.

Nationalismus ohne Ende

Vergangene Woche, genau 20 Jahre später, wird sie aber plötzlich wieder gefeiert. Nationalisten haben nicht nur in West- und Mitteleuropa Zulauf, in Bosnien-Herzegowina hat der Ethno-Nationalismus und Rechtspopulismus auch nach dem Krieg nie aufgehört, sondern bestimmt die Gesellschaft und Politik Tag für Tag. Der Umstand, dass der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, kürzlich ein Referendum abhalten konnte, obwohl dies vom Verfassungsgericht untersagt worden war und er damit eine Rote Linie überschritt, die Internationale Gemeinschaft aber dennoch nicht darauf reagierte, hat offenbar andere Nationalisten in Bosnien-Herzegowina zusätzlich "ermutigt". Die Allianz unter den bosnischen Nationalisten ist bereits seit Jahren offenkundig, man definiert sich "ethnisch" und kann damit im "eigenen Gebiet" ungestört schalten und walten.

In Bosnien-Herzegowina wurde die Kriegsschöpfung "Republik Herceg Bosna" nie ganz aufgegeben, sie lebt in der Forderung einer "dritten Entität" für die bosnischen Kroaten weiter. Der Chef der bosnisch-kroatischen Partei HDZ, Dragan Čović, spricht fortwährend von mehr "verfassungsmäßiger Gleichheit" für Kroaten im Verhältnis zu Bosniaken und Serben.

Viele bosnische Kroaten haben zudem auch einen kroatischen Pass, und manche wollen Einfluss auf die führende konservative Kraft im Nachbarland, die HDZ, ausüben. Die kroatische HDZ unter dem neuen Premier Andrej Plenković ist für diese Nationalisten nun aber zu liberal. Plenković macht keinerlei Anstalten, die bosnischen Kroaten besonders zu umhegen. Im Gegenteil: Sein erster Auslandsbesuch galt kürzlich dem Staat Bosnien-Herzegowina, er reiste nach Sarajevo und nicht nach Mostar.

Absage aus Zagreb

Dies wurde als eine Art Absage an die Nationalisten in Mostar gesehen. Denn bisher reisten Politiker aus Kroatien bei ihren Besuchen zunächst gerne nach Mostar, um sich dort als Vertreter aus dem "Mutterland" feiern zu lassen. In Mostar gibt es sogar Leute, die hinter die Scheibenwischer von Autos Geld stecken, wenn diese kroatische Nummernschilder tragen. Plenković ist aber auch für die Rechten in der eigenen Partei in Kroatien zu wenig national. Gleich zu Beginn seiner Regierungszeit wurde er mit einem der heikelsten Kapitel der kroatischen Geschichte konfrontiert, das für die Nationalen auch ein Anlass ist, ihn zu "testen".

Am 31. Oktober wurden in der bosnischen Stadt Orašje zehn bosnische Kroaten verhaftet, die verdächtigt werden, im Bosnienkrieg (1992–1995) Verbrechen begangen zu haben. Man kann auch davon ausgehen, dass die Verhaftungen der bosnischen Kroaten die Sonderwünsche von bosnisch-kroatischen Nationalisten wie Čović weiter bestärken – vielleicht waren sie ja sogar der Auslöser für die jüngsten Herceg-Bosna-Feiern in Mostar. Aber auch in Kroatien folgte der Aufschrei, der in Ex-Jugoslawien immer erfolgt, wenn eine Seite sich vermeintlich ungerecht behandelt fühlt.

Kriegsverbrechen gegen Muslime

Der Verteidigungsreflex im Nachbarland hat gute Gründe. Die Verhaftungen rühren an ein sensibles Thema: Denn Zagreb selbst unterstützte im Bosnienkrieg bosnisch-kroatische Einheiten vor Ort, obwohl es sich um einen Nachbarstaat handelte. Zudem verübten diese Einheiten Kriegsverbrechen gegen Muslime. Das offizielle Kroatien wies bisher jede Beteiligung an der "gemeinsamen verbrecherischen Unternehmung", wie sie in einer Anklage des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag beschrieben wird, in Bosnien-Herzegowina zurück. Doch das Kapitel wird nun wieder aufgerollt. Nach den Verhaftungen in Orašje betonte Plenković, dass Kroatien nur an der "Befreiung des Territoriums von Bosnien-Herzegowina gegen die großserbische Aggression" beteiligt gewesen sei.

Einige Beobachter in Kroatien gehen aber davon aus, dass er im Zuge der Diskussion von den Rechten in der eigenen Partei in eine patriotischere Ecke "gebracht" werden sollte. Die kroatische Präsidentin ist bereits dort. Kolinda Grabar-Kitarović sagte nun, dass die Prozesse gegen die zehn bosnischen Kroaten nicht in Bosnien-Herzegowina, sondern in Kroatien stattfinden sollten. Dies ist insbesondere deshalb interessant, weil Kroatien in den vergangenen Monaten Serbien immer wieder dafür kritisiert hatte, dass in Serbien Anklagen gegen nichtserbische Staatsbürger erhoben würden. Wenn es um das eigene Land geht, denkt man da offenbar anders.

Wallfahrt

Das Verhältnis zwischen Kroatien und Bosnien-Herzegowina wurde kurz nach den Verhaftungen aber noch weiter herausgefordert. Mitte November wurde bekannt, dass der kroatische Verteidigungsminister Damir Krstičević vom Innenministerium der bosnischen Republika Srpska (RS) der Kriegsverbrechen beschuldigt wurde. Es geht um Morde an etwa 150 Zivilisten in der bosnischen Stadt Mrkonjić Grad im Jahr 1995. Krstičević fuhr, kurz nachdem dies bekannt wurde, demonstrativ in den Wallfahrtsort Međugorje, also nach Bosnien-Herzegowina. Einen Besuch in Sarajevo sagte er allerdings ab, zuvor hatte es Warnungen gegeben, dass er verhaftet werden könne.

Krstičević war zu Kriegsende 1995 der Kommandant der Vierten Brigade der Kroatischen Armee. Er nahm an den Militäroperationen in Bosnien-Herzegowina teil. Es sieht also danach aus, als müsste sich die kroatische Regierung noch einmal der Vergangenheit stellen. (Adelheid Wölfl, 21.11.2016)