Eine T3-Zweiergarnitur am Prager Wenzelsplatz.

Foto: Jan Čihák

Eine modernisierte T3-Garnitur in Brünn.

Foto: Jan Čihák

Helles Motorgeräusch, dumpfes Gequietsche der Falttüren, Knarren der Metallräder: Überall klingen sie gleich, ob im russischen Jekaterinburg, im lettischen Riga oder im slowakischen Bratislava. Die tschechoslowakischen Straßenbahnen Tatra T3 sind aus vielen Städten des ehemaligen Ostblocks seit vielen Jahren kaum mehr wegzudenken. Wer einmal nach Prag fährt, kann sie immer noch in einer ausreichenden Zahl auf der Straße rollen sehen oder mit ihnen fahren: Denn dort ist dieser Straßenbahntyp ja zu Hause.

ČKD Praha

Die Straßenbahn Tatra T3 war ein gemeinsames Produkt zweier Prager Fabriken: Bei Tatra Smíchov wurde 1959 mit der Entwicklung des Straßenbahnwaggons für T3 begonnen, die Motoren kamen von der Fabrik ČKD Praha. Der erste Straßenbahnwagen wurde 1960 produziert, innerhalb weniger Jahre war er nicht nur in der damaligen Tschechoslowakei, sondern in vielen anderen Ostblockstaaten im Einsatz. Der Grund dafür lag in erster Linie in der kommunistischen Planwirtschaft. "Im ehemaligen Ostblock existierte ein Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe. Dort bemühte man sich, bestimmte Industriebranchen zu optimieren, indem einzelne Länder bestimmte Produkte für den ganzen Ostblock herstellen. So wurde die Firma ČKD Tatra damit beauftragt, die Hauptlast der Produktion der Straßenbahnfahrzeuge zu tragen", erklärt Jan Čihák, ein tschechischer Straßenbahnexperte.

Von Brünn bis Sarajevo

Von 1960 bis 1989 wurden die Straßenbahnen Tatra T3 an mehr als 40 Städte in der damaligen Tschechoslowakei und Sowjetunion geliefert. Das identisch aussehende, nur um 30 cm schmälere Modell T4 fuhr in den meisten Städten der DDR, in Rumänien und im kroatischen Zagreb, und die aus der T3 abgeleiteten Gelenktypen K2 sind immer noch in Brünn und Sarajevo anzutreffen.

Allein die Produktion des T3-Straßenbahntyps erreichte von 1962 bis 1997 mehr als 14.000 Stück, was ihm in den 1980er-Jahren einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde verschaffte: T3 gilt bis heute als der meistproduzierte Straßenbahnwagen der Welt. Dafür lagen die Gründe nicht nur in der kommunistischen Planwirtschaft: "Das Modell T3 galt – im Unterschied zu seinen Vorgängern T1 und T2 – von Anfang an als besonders ausgereift und allseitig. Sein Gewicht war nicht so groß, und es konnte auf den Spurweiten von 1.524, 1.435 sowie 1.000 Millimeter eingesetzt werden", erklärt Čihák, der gleichzeitig das seit 1960 unveränderte Design des Straßenbahnwagens, das aus der Feder des tschechischen Architekten František Kardaus stammt, als "zeitlos und genial" beschreibt. Vom Design und von der Ausdauer dieses Straßenbahntyps sind viele Verkehrsbetriebe bis heute überzeugt, denn es werden in Tschechien immer noch stückweise modernisierte T3-Versionen produziert: etwa das Niederflurmodell T3R.PLF, das in Prag oder Reichenberg (Liberec) im Einsatz ist.

Keine Pension für T3

Zeitlos scheint aber auch die Beliebtheit von T3 zu sein: Während in den vergangenen Jahren viele T3-Wagen in Prag durch moderne Niederflurstraßenbahnen der Marke Škoda ersetzt werden, heißt das keinesfalls, dass diese Tramlegenden endgültig in Pension gehen. So verkaufen die Prager Verkehrsbetriebe seit einigen Jahren ihre T3 an einige ukrainische Städte, etwa nach Kiew oder Charkiw. Das Nachfolgemodell T4 wurde in den 1990er-Jahren aus einigen Städten der ehemaligen DDR sogar ins nordkoreanische Pjöngjang verkauft. Dort werden sie trotz ihres hohen Alters problemlos noch viele weitere Jahre fahren können. "Die Tatsache ist ein Beweis, wie solid diese Fahrzeuge konstruiert wurden. Man kann in der Tat behaupten, dass der Typ T3 mit entsprechender Wartung ewig halten kann", ist Čihák überzeugt. Dabei dürfen Fahrgäste keinesfalls verwöhnt sein: Denn der Fußboden ist immerhin 90 cm hoch, gepolsterte Sitze und Klimaanlagen gibt es drinnen auch nicht.

Touristenattraktion

Trotzdem erlangten die robusten Straßenbahnwagen nicht nur in ihrer Heimat Tschechien längst einen Kultstatus: Sie werden von vielen Touristen und Straßenbahnfans fotografiert, es werden sogar regelmäßig Touren in jene osteuropäischen Städte organisiert, in denen T3 immer noch ihren täglichen Dienst leisten. "Viele Städte haben in ihren Straßenbahnmuseen mindestens ein Exemplar des Typs T3, bei den Abschiedsfahrten dieses Typs herrscht meistens ein regelrechter Andrang", weiß Čihák, dem höchst ungewöhnliche Möglichkeiten der Weiternutzung dieser legendären Straßenbahnen nicht unbekannt sind: "Es gibt sogar Privatpersonen, die einen T3-Wagenkasten abgekauft und in ihren Garten aufgestellt haben!" (Nedad Memić, 22.11.2016)