Kurt Bergmann, seit Jahrzehnten mit dem liebevollen Ehrentitel "Master" ausgezeichnet, gilt weltweit als Mastermind der internationalen Formel-V-Szene. Ab den 1960er-Jahren förderte Volkswagen als wichtiges Marketinginstrument eine Rennwagenserie mit VW-Technik. Der 1929 geborene Markenhändler Bergmann aus Essling bei Aspern in Wien wurde als Entwickler weltweit zum wichtigsten Konstrukteur. Legenden der Rennszene wie Jochen Rindt, Niki Lauda, Helmut Marko, Keke Rosberg und Helmut Koinigg gingen durch den motorsportlichen Formel-V-Feuerofen mit seinen faszinierenden Rennen.

Das Thema dieses Beitrags heißt Allradantrieb mit Doppelmotoren, die kleine Vorgeschichte sollte aber verdeutlichen, wie aus Kurt Bergmann, dem Guru des Heckmotors im Formel V, eine Ikone im Bereich Vierradmotorisierung wurde.

Allrad geht auch so: Doppelmotor! Erster Versuchsträger für Bergmanns Ansatz war 1981 ein Jetta, dann wurde der Antrieb in den Golf verbaut.
Foto: Volkswagen Classic

Blenden wir in das Jahr 1981 zurück, Österreichring, heute Red Bull Arena, ein nationales Rennen ohne Bedeutung. Bergmann betreute seine Formelfahrer, da stach ihm ein VW Jetta ins Auge. Volkswagen zeigte sich damals süchtig nach einer technischen Lösung für den Allradantrieb, nachdem Audi unter Führung von Ferdinand Piëch in direkter Konkurrenz bereits ein komplettes Angebot machen konnte. Das Wolfsburger Problem war Kurt Bergmann durch seine engen Kontakte zum Sportchef von VW, Klaus Peter Rosorius, bestens bekannt. Dieser war für sämtliche sportlichen Aktivitäten wie Rallye, Polo-Markencup oder Formel V verantwortlich.

Doppelmotor im Jetta

Ein Blick in den Kofferraum genügte, dieser Jetta mit knapp 1000 kg Leergewicht war der richtige Versuchsträger für eine Bestückung mit Doppeltriebwerken. Zwei 1,6-Liter-GTI-Motoren mit je 110 PS wurden quer eingebaut, nur die hintere Sitzbank musste verschoben werden, die Lösung des Problems schien nahe. Jeder Motor hatte ein eigenes Getriebe, auf einem eigenen Display – zwei einfachen Leuchtstreifen – kontrollierte der Fahrer die Drehzahlkoordination. Die Motoren konnten getrennt zu- und abgeschaltet werden, dazu war nicht einmal ein kurzer Stopp notwendig.

Dieser Jetta, er ist noch heute voll einsatzfähig und voll restauriert, diente Bergmann über 30.000 km lang als Versuchsträger auf seinen zahlreichen Fahrten zum Sportzentrum in Wolfsburg. Das Kennzeichen WOB-VL 6 kennzeichnete den grüngelben Zweitürer als Teil des laufenden Fahrversuchs. Doch der Weg in die Rennserie fand nie statt, weitere Versuche – beispielsweise mit dem VW Scirocco 1982, 360 PS stark – blieben das, was sie waren, eben Versuche.

Kurt Bergmann im Rennwagen.
Foto: Volkswagen Classic

Eine halbe Fahrstunde von Colorado Springs im Bundesstaat Colorado entfernt hebt sich der Pikes Peak in die Höhe, berühmt-berüchtigt durch das in den USA bis heute populäre Bergrennen, dessen Ziel auf 4200 Meter Seehöhe liegt. Vom Start bis zum Ziel gilt es 2200 Höhenmeter zu überwinden, da wird die Luft von Meter zu Meter dünner. Heute windet sich ein Asphaltband empor, 1986 aber, als VW erstmals zum Sturm anrückte, war die Fahrbahn eine trostlose Sandstraße. Der Versuch in dem Jahr missglückte, der Golf mit den zwei 1,8-Liter-Saugermotoren aus dem Polo (auf 2,6 Liter aufgebohrt, 500 PS stark) "verhungerte" unter dem Profi Jocki Kleint. Die Kraft bohrte sich in den Sand, in der dünnen Luft betrug der Leistungsverlust 42 Prozent.

Lösung mit Monocoque

Für den nächsten Anlauf 1987 lieferte Bergmann die Lösung. In sechsmonatiger Arbeit entstand in Essling ein Protoyp, der noch heute der Stolz von VW ist. Zwei GTI-16V-Motoren mit 1,8 Liter Hub, vorne und hinten angeordnet, versehen mit KKK-Turbolader, versprachen, 652 PS auf die Straße zu bringen. Optisch einem Golf angepasst, ruhten die Motoren in einem Rohrrahmen à la Formelrennwagen, umgeben von einer Monocoque-Karosserie. Aus dem Formelsport kam das 5-Gang-Hewland-Getriebe.

So vorbereitet ging wieder die Reise in die USA, der Fahrer hieß neuerlich Jocki Kleint, weil er mit der Strecke vertraut war. Audi nominierte Walter Röhrl mit einem Quattro, die Ausgangslage schien für VW schwierig, aber machbar. In drei Trainingsläufen, teilweise wurde nur mit einem Motor gefahren, bewährte sich das Bergmann-Konzept.

Zum Pikes-Peak-Bergrennen trat VW mit Bergmanns Doppelmotor-Golf an, die Version von 1987 mit Rohrrahmen und Monocoque-Karosserie hatte großes Potenzial und scheiterte nur knapp – an Walter Röhrl und einer gebrochenen Aufhängung.
Foto: Volkswagen Classic

Der große Renntag nahte, Röhrl bewies seine Klasse, er siegte für Audi. Zur Halbzeit des Rennens lag aber der Bergmann-Golf vor dem Audi, die Tragödie für VW ereignete sich 400 Meter vor dem Ziel: Trotz achtfacher Sicherung versagte ein einfacher Aufhängungsteil. Aus, vorbei. (Peter Urbanek, 3.12.2016)