"Es war eine lange Nacht", berichtete Bundeskanzler Christian Kern beim Ministerrat am Dienstag. Lohn war eine Einigung über den Ausbau der Ganztagsschulen.

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Wien – Der Grant stand manchem Regierungsmitglied, das da Dienstagfrüh an den Journalisten vorbeirauschte, ins Gesicht geschrieben. Viele mühsame Stunden lang hatten die Koalitionäre verhandelt und waren – so erzählen Eingeweihte – in Muster verfallen, die eigentlich der Vergangenheit angehören sollten. Forderungen, die in der Sache nichts miteinander zu tun haben, seien junktimiert worden, nach dem Motto: Bekommen wir das eine nicht, kriegst du das andere nicht.

"Wir haben eine lange Nacht hinter uns", sagte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am Morgen danach, doch die Anstrengung habe sich gelohnt: 43 Beschlüsse fasste der Ministerrat der Regierung, von einer Pensionserhöhung (siehe unten) bis zu einem Rabatt für die Bauern bei der Sozialversicherung (siehe Seite 19). "Herzensprojekt" ist für Kern aber vor allem eines: der Ausbau der ganztägigen Pflichtschulen, der Kindern aus sozial schwachen Familien bessere Bildungschancen bringen soll. Erklärtes Ziel ist, dass bis 2025 jeder Schüler im Umkreis von 20 Kilometern eine solche Schulform in Anspruch nehmen kann.

Geld aus der Bankenabgabe

Dass dafür die 750 Millionen aus jener Einmalzahlung, die Banken für die Reduzierung der laufenden Bankenabgabe leisten, verwendet werden, war schon länger vereinbart. Doch unter anderem sorgte die Frage, wer das Geld wie genau verteilen sollte, für Wickel: Wieder einmal rangen Bund und Länder um Einfluss.

Der nun fixierte Kompromiss: Über die Vergabe von 500 Millionen entscheidet das Bildungsministerium, 250 Millionen liegen in der Hand der Länder. Um zu Geld zu kommen, müssen Schulen ein pädagogisches Konzept vorlegen. Entgegen den ursprünglichen Plänen dürfen auch Privatschulen öffentlichen Rechts ansuchen.

Der erste, größere Brocken umfasst den Ausbau der ganztägigen Schulform. Gefördert wird sowohl die verschränkte Ganztagsschule, bei der sich unter Anwesenheitspflicht Unterrichts-, Lern- und Freizeit abwechseln, als auch die reine Nachmittagsbetreuung, für die keine Anwesenheitspflicht gilt. Der zweite, von den Ländern vergebene Teil firmiert unter dem Schlagwort "Qualitätsoffensive": Vorgesehen ist das Geld, um eine Ferienbetreuung auf die Beine zu stellen, reine Nachmittagsbetreuung in das verschränkte Modell umzuwandeln, Horte in Schulen zu integrieren und Kostenbeiträge für Eltern zu senken.

Länder haben Einfluss gewonnen

Gegenüber dem Erstentwurf von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) haben die Länder damit mehr Einfluss erreicht. Allerdings betont man im Ministerium, dass der Bund nicht nur Kontrolle ausübe, sondern auch verbindliche Kriterien aufstelle: So müssten die Kostenbeiträge der Eltern sozial gestaffelt werden. Ein Fortschritt sei der neue Gesetzesentwurf gerade im Vergleich zur bereits bestehenden Bund-Länder-Vereinbarung für den Ausbau der Nachmittagsbetreuung, denn da könnten die Länder das Geld freigiebig vergeben – und der Bund wisse nicht, was damit genau geschehe.

Weil das bestehende Ausbauprogramm noch zwei Jahre lang läuft, sind die neuen Mittel in diesem Zeitraum ausschließlich für verschränkte Ganztagsschulen reserviert – um Doppelförderungen zu vermeiden. Danach gilt "Wahlfreiheit": Der Ausbau simpler Nachmittagsbetreuung wird im gleichen Ausmaß gefördert. "Eine maßgeschneiderte Lösung" nennt das Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner.

Manche Parteikollegen Mitterlehners sehen das freilich anders. Das Finanzministerium, das mit Hans Jörg Schelling ebenfalls ein ÖVP-Politiker führt, hat an Hammerschmids Erstentwurf harsche Kritik geübt. Indem gefördert werde, dass außerschulische Horte zu ganztägigen Schulformen umgewandelt werden, übernehme der Bund Kosten für ein Angebot, die bisher die Gemeinden trugen. Auch grundsätzliche Einwände gibt es: Das Ausbauprogramm ziehe einen Rattenschwanz an Folgekosten, vor allem für Personal, nach sich, die für die Zukunft keinesfalls gedeckt seien.

Schelling hat seine Bedenken, wie man im Ministerium bestätigt, im Ministerrat noch einmal angebracht – denn: Der neue, nun besiegelte Gesetzesentwurf habe diesbezüglich nichts geändert. (Gerald John, 22.11.2016)