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Silberrücken neigen zuweilen zu einer gewissen Selbstbespiegelung, die nicht mit -reflexion im engeren Sinn verwechselt werden sollte.

Foto: AP/Sven Hoppe

Unlängst hat Alexandra Föderl-Schmid, die hier amtliche Chefin, eine feine Elegie geschrieben auf die politischen Silberrücken in den Ländern, die erst ihrer Umgebung, dann sich selber und am Ende halt auch dem Land Ungemach zufügen, wenn sie nicht sehen wollen, dass die Zeit, wenn sie denn einmal reif ist, reif ist: Erwin Pröll (70, als Landeshauptmann 24), Josef Pühringer (67/21), Michael Häupl (67/22). In Zeiten, in denen sogar Päpste schon in Pension gehen, sollte es doch eigentlich auch für x-beliebige Landesfürsten nicht so schwer sein, den Hut zu nehmen.

Einen Landeschef hat Föderl-Schmid nicht erwähnt. Mag sein, dass sie es ausdrücklich nicht tat. Denn mit seinen 65 Lebens- und 16 Amtsjahren ist Hans Niessl ja vergleichsweise ein Jungspund. Und mehr noch: Seit er sich im vorigen Jahr mit den Blauen zusammengetan hat zum Entsetzen seiner außerburgenländischen Parteifreunde, erlebt er eine Art zweiten Frühling.

Hat Freude nicht nur am plötzlich fast selbstherrlich gestaltbaren Amt, sondern auch an der innerparteilichen Provokation. Wirft sich regelmäßig in bärbeißige Pose, klopft sich dabei – weithin hörbar – auf die Brust wie ein Junger und hat noch Kraft genug für die kommunalsten Angelegenheiten. Und er hat mittlerweile auch den Kanzler, der verstrickt ist in die Erstellung eines roten Koalitions-Kriterien-Katasters, gewissermaßen weichgeklopft.

Wiener Niessl

Hans Niessl strotzt also im Moment gewissermaßen vor sich selbst, wozu die roten Wiener Unpässlichkeiten das Ihre beigetragen haben. Voriges Jahr noch hat Michael Häupl ja Stein und Bein geschworen, dass es einen Niessl in Wien nicht gebe. Nun, da sich herausstellt, dass es zwischen Floridsdorf, Donaustadt, Simmering deren gleich ein paar gibt, schaut nicht nur der sogenannte "rechte Flügel" nach Eisenstadt.

Sondern zum Beispiel auch der verehrte Kollege Herbert Lackner, der unlängst im "Profil" eine Philippika gegen Niessl geritten hat. Der habe die pannonische SPÖ nicht bloß in die Koalition mit den Freiheitlichen geführt, sondern gleich in eine schandbare Kongruenz.

Dass allerdings Hans Niessl seine SPÖ in weitere Koalitionen mit der FPÖ "treiben" wolle, klingt dann aber doch ein wenig sehr dick aufgetragen. Dass er nichts dagegen hätte: no na. Dass er sowas in die Wege leiten könnte: na ja.

Kirche und Dorf

Auch wenn man zugestehen will, dass dem burgenländischen Landeshauptmann die eherne Gesetzmäßigkeit zwischen Kirche und Dorf – lasse jene in diesem! – manchmal selber ein wenig entgleitet, sollte in der sonstigen Republik (und also auch in Wien) doch nie ganz vergessen werden, dass der schmale, 1921 zu Österreich gestoßene, stadtlose Streifen Westungarn rund 230.000 Wahlberechtigte zu den Urnen rufen darf. Davon haben bei der vergangenen Nationalratswahl 70.000 die SPÖ gewählt. Das Kraut machen die Pannonier also in keinem denkbaren Fall wirklich fett.

Was freilich nicht heißt, dass sie nicht als eine Art Vorbild gesehen werden können, als Bewohner jener kleinen Welt, in der die größere halt ihre Probe hält. Es wäre nicht das erste Mal.

Das Burgenland – das wird in den Zentralen des Mund-fusselig-Redens gern vergessen – ist das einzige Bundesland, das sich nachhaltig umgefärbt hat. Einst stramm christsozial, ist es seit 1964 stramm sozialdemokratisch. Und zwar damals schon mit blauer Hilfe. Der einzige FP-ler im Landtag, Richard Rezar, stimmte für Hans Bögl als Landeshauptmann, der dann 1966 für Theodor Kery Platz machte.

Struktur und Wandel

Für gewöhnlich wird die Errötung des so obrigkeitsaffinen Bauernvolkes mit einem umfassenden sozialen und ökonomischen "Strukturwandel" erklärt; dass also die pannonischen Kleinbauern Arbeiter, ja Proletarier – und als solche zumeist Pendler – geworden sind im Laufe der Nachkriegszeit.

An dieser Erzählung ist, wie bei allen guten Märchen, ungefähr die Hälfte wahr. Zwar hat sich die pannonische Welt der sozialdemokratischen Weltanschauung durchaus angenähert. Umgekehrt aber nicht minder. Der sprichwörtliche Maurer war ja weiterhin Kleinbauer. Unter der Woche ruachelte diesbezüglich die Frau, am Wochenende half der Mann mit, so beide nicht häuselbauten auf meist eigenem Grund.

Um diese Menschen zu umgarnen, bedurfte es einiger ideologischer Adaption. Und die neue Generation um Kery, Fred Sinowatz und dem heuer 90 gewordenen Gerald Mader taten dies mit solchem Feuereifer, dass Bruno Kreisky in der harten Oppositionszeit zwischen 1966 und 1970 aufmerksam wurde auf die pragmatischen Burgenländer, die da alle, die am Wegrand warteten, einluden, doch ein Stück des Weges gemeinsam mit ihnen zu gehen.

Eisenstädter Erklärung

Dass die deutliche Absage der SPÖ an die Kommunisten 1969 in Form der "Eisenstädter Erklärung" erfolgte, war gewisslich ein Zufall. Aber doch ein bezeichnender. Nebenerwerbsbauern und leidenschaftliche Häuslbauer hatten es nicht so mit den real schwadronierenden Linksideologen.

Nämliches galt auch für die damals immer noch umtriebigen Kulturkämpfer gegens Klerikale. Während die schwarzen Wahlkämpfer 1964 mit Seitenblick auf Wien noch über die rote Gottlosigkeit munkelten, tourte der passionierte und passable Organist Kery längst schon durch die Kirchen des Landes.

Theodor Kery, um jetzt darauf zurückzukommen, war ein Silberrücken par excellence. Und als solcher eine traurige Gestalt, die sich, schwer ramponiert schon durch die Cap’schen drei Fragen, 1987 mit 69 Lebens- und 21 Dienstjahren ins Ausgedinge zurückgezogen hat.

Amtsübergabe oder Jubiläum

Das steht dem Hans Niessl zweifellos vorm lebensplanenden Auge. Insider sehen ihn diesbezüglich im Wiglwogl. Einerseits, so erzählt man es im und um das Eisenstädter Landhaus, locke die Aussicht, auch 2020 (69/20) noch einmal anzutreten, sehr.

Immerhin wäre so nicht nur der Dienstrekord des pannonischen Ursilberrückens eingestellt. Im Dezember 1921 gilt es, darüber hinaus den 100. Geburtstag des Burgenlandes zu feiern. Und welcher g'standene Landesfürst wäre zu so einem Anlass nicht gern noch ein solcher?

Andererseits aber, so wird kolportiert (beziehungsweise: ist mit Händen zu greifen), hat Hans Niessl zu seiner merkbaren Freude endlich einen passenden Kronprinzen gefunden. Noch dazu einen, der in seinem Schatten erst zu ansehnlicher Größe gewachsen ist. Und das ist für einen, der die Partei nicht bloß geformt und gestaltet hat, sondern durchaus zugerichtet, schon ein schlagendes Argument. In Hans Peter Doskozil (46/0) soll Hans Niessl weit über sich hinaus noch wirken.

Der Plan sehe so aus: Finanz-, Kultur- und Baulandesrat Helmut Bieler (64/17) werde sich im nächsten Jahr aufs Altenteil zurückziehen, der Verteidigungsminister Bielers Ressort (minus Kultur) übernehmen und noch vor 2020 den Chef beerben.

Aber wie heißt es schon beim – Vorsicht, linken – Bert Brecht? Ja, mach nur einen Plan!

(Wolfgang Weisgram, 28.11.2016)