Ohne Kondom: ein hohes Ansteckungsrisiko besteht bei passiv analem rezeptiven Geschlechtsverkehr.

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HIV-Arzt Gerold Felician Lang betreut die Discover-Studie an der HIV-Ambulanz des Wiener AKH. Erreichbar ist er unter der E-Mail-Adresse gerold.lang@meduniwien.ac.at

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Es ist eine der größten Erfolgsgeschichten in der Medizin: Das einst tödliche HI-Virus ist insofern besiegt, als es in Schach gehalten werden kann. HIV-Positive haben dank der medikamentösen Optionen nicht nur dieselbe Lebenserwartung, sondern auch die gleiche Lebensqualität wie HIV-Negative. Die Voraussetzung: die verlässliche Einnahme der Medikamente.

Die gute Nachricht hat eine Schattenseite. "Die Infektion hat vor allem bei Jüngeren ihren Schrecken verloren, das Risikoverhalten steigt", konstatiert Gerold Lang, Arzt an der HIV-Ambulanz am Wiener AKH. Er kennt die Sexualpraktiken derer, die zu ihm kommen, und weiß, dass verleugnetes Risikoverhalten das Hauptproblem darstellt.

Es sind meist auch jene, die sich nicht regelmäßig einem HIV-Test unterziehen. Sie schlagen in der Ambulanz erst mit Aids definierenden Indikatorerkrankungen auf, also mit schweren Lungenentzündungen oder Lymphomen. Das bedeutet: Die Infektion besteht seit langem, und das HI-Virus wurde zu einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit schon vielfach weitergegeben.

Wer sich mit HIV ansteckt

Während die Zahlen der Neuinfektionen bei Heterosexuellen rückläufig sind, steigen sie in der Gruppe der "Men having sex with men" (MSM): Besonders gefährdet sind homosexuelle und bisexuelle Männer, die ohne Kondome rezeptiven analen Geschlechtsverkehr haben. "Durch die Online-Dating-Plattformen sind ständig wechselnde Sexualpartner einfach zu organisieren", sagt Lang. Was ihn besorgt, ist der gesellschaftliche Umgang mit dieser Realität.

Aus gesundheitspolitischer Sicht müsse es den Verantwortlichen ja um die Eindämmung von HIV gehen. Die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) hat sich hierfür als probate Maßnahme erwiesen. Wer ein Mal täglich eine Tablette schluckt, ist vor einer HIV-Infektion geschützt und kann das Virus damit auch selbst nicht weitergeben. "Wenn wir HIV ausrotten wollen, dann ist die PrEP als Maßnahme hocheffizient", sagt Lang, eine lebenslange HIV-Therapie nach Ansteckung sei wesentlich kostspieliger, "und es ist ja nicht so, dass wir HIV-Positive nicht behandeln, nur weil sie ungeschützten Geschlechtsverkehr hatten", rückt er die Situation ins rechte Licht. Da könne man doch gleich die PrEP einsetzen.

Öffentlich wirksam

Sie hat in den letzten Jahren ihre Wirksamkeit bewiesen. Den Ergebnissen etlicher PrEP-Studie zufolge schützt sie mit einer Sicherheit von 86 Prozent vor einer Ansteckung. Für Lang noch wichtiger: "Durch die PrEP kommen Menschen mit Hochrisikoverhalten an die Ambulanz und können regelmäßig kontrolliert werden." Er meint damit nicht nur die HIV-Infektion, sondern auch die STDs (Anm: sexually transmitted diseases) wie Gonorrhoe, Syphilis oder Chlamydien, die ebenfalls ein öffentliches Gesundheitsrisiko darstellen. "Der ärztliche Kontakt zu den Hochrisikogruppen ist auch deshalb so essenziell", betont Lang.

Zugelassen, aber in Österreich vom öffentlichen Gesundheitssystem nicht erstattet, ist die PrEP mit dem Kombinationspräparat Truvada. Es gibt zwei Möglichkeiten, die Tabletten einzunehmen. Entweder ein mal täglich, "das reduziert das Risiko, sich anzustecken, um 86 Prozent", sagt Lang. Eine Alternative, die sich in der unverblindeten Phase der französischen Ipergay-Studie mit 97 Prozent Risikoreduktion ebenfalls als sicher und gleichwertig mit dem Kondom herausgestellt hat, ist die anlassbezogene Einnahme der PrEP – zwei Tabletten vor dem Geschlechtsverkehr und jeweils eine weitere nach 24 und 48 Stunden.

PrEP-Studie am AKH

Allerdings: Die Studie, die am Wiener AKH startet, ist nicht anlassbezogen, sondern erfordert die kontinuierliche Einnahme. Getestet wird das Kombinationspräparat Descovy (Emiticitabin plus Tenofovir-Alafenamid – TAF: für die HIV-Therapie zugelassen, aber noch nicht als PrEP) gegenüber dem im Einsatz befindlichen Truvada (Emtricitabin plus Tenofovir-Disoproxylfumarat – TDF). Der Unterschied zwischen den beiden Medikamenten besteht in der Formulierung des Wirkstoffs Tenofovir.

Bei TAF handelt es sich um eine andere Prodrug, das heißt einen anderen Vorläufer des Wirkstoffs, der erst in den Zielzellen des Immunsystems in seine aktive Form überführt wird. Das ermöglicht geringere Dosierungen. "Optimal wäre PrEP für alle MSM mit Risikoverhalten", ist Lang überzeugt: Damit gebe es die Chance, HIV auszurotten. (Karin Pollack, 26.11.2016)

Veranstaltungsinfo:

Gerold Lang hält am 29. November im Rahmen des Wiener Aids-Tages um 16.15 Uhr in der Hauptbücherei am Gürtel in Wien (7, Urban-Loritz-Platz 2a) einen Vortrag über die PrEP.