Der Glanz der Olympischen Spiele ist schnell verblasst. Nur wenige Wochen nach dem Abschlussfeuerwerk ist in Rio de Janeiro die Realität härter als zuvor zurückgekehrt. Brasiliens zweitgrößte Metropole ist bankrott, nachdem die Regionalregierung schon vor einem halben Jahr den Notstand hatte ausrufen müssen.

Nach Jahren relativer Ruhe ist der Drogenkrieg zurückgekehrt. Und fast täglich demonstrieren Beamte gegen Gehaltskürzungen. Zugleich müssen ganze Abteilungen der ohnehin unterfinanzierten Krankenhäuser geschlossen werden. In Schulen gibt es kein Licht, weil die Stromrechnungen nicht bezahlt wurden.

Auch Polizei protestiert

"Rio wird unregierbar", musste selbst Gouverneur Luiz Fernando Pezão zugeben. Ein Loch von 17,5 Milliarden Reais (rund 4,8 Milliarden Euro) klafft in der Kasse. Pezão will mit harten Einschnitten die leeren Kassen auffüllen. Sozialprogramme wurden ebenso wie Investitionen in Hospitäler und neue Schulen gestrichen. Beamte müssen Gehaltseinbußen von bis zu 30 Prozent hinnehmen, ihre Löhne und Renten werden seit Monaten nicht pünktlich oder nur mit Abschlägen ausgezahlt. Vor kurzem stürmten Demonstranten das Regionalparlament und besetzten den Sitzungssaal. Die Polizei griff nicht ein, denn sie stellte die Mehrheit der Protestler.

Den Glauben an ihre Politiker haben die Brasilianer schon längst verloren. Ein neuer Korruptionsskandal um Ex-Gouverneur Sérgio Cabral (2007–2014) platzte in die aufgeheizte Stimmung. Er soll über Jahre hinweg einen "Aufschlag" von fünf Prozent für öffentliche Bauvorhaben genommen und in die eigene Tasche gesteckt haben. Ganz Rio war zu dieser Zeit eine Baustelle in Vorbereitung der Fußball-WM 2012 und der Olympischen Spiele. Mindestens 65 Millionen Euro wurden laut Staatsanwaltschaft veruntreut, nicht eingerechnet kostspielige Geschenke wie eine Yacht, die Benutzung von Helikoptern oder private Luxusreisen. Cabral sitzt jetzt in Haft.

"Was kommt danach?"

Nur eine Finanzspritze der Bundesregierung von rund 800.000 Euro für die Polizei in Rio machte die Olympischen Spiele erst möglich. Schon damals fragte Rios oberster Sicherheitsstaatssekretär José Maria Beltrame besorgt: "Die Frage ist: Was kommt danach?" Die vergangenen Wochen haben es gezeigt. In den Polizeiwachen funktionieren die Drucker nicht – es fehlt an Tonerpatronen. Autos stehen unbenutzt im Hof – das Benzingeld ist aufgebraucht.

Für die Drogenbanden ist dies ein willkommenes Signal, Terrain in den Armenvierteln zurückzuerobern. Die Kriminalität schnellte in die Höhe, die Mordrate stieg heuer um 18 Prozent. In der Favela Cidade de Deus (bekannt aus dem Film "City of God") lieferten sich Polizei und Kriminelle tagelang Schießereien. Bewohner flüchteten in ihre Häuser und verbarrikadierten sie. "Öffentliche Sicherheit hatte in Brasilien nie Priorität. Aber jetzt wachen die Menschen auf und erkennen, dass es ohne Sicherheit keine Entwicklung gibt", sagt Beltrame, der inzwischen, "müde und desillusioniert" sein Amt abgegeben hat. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 29.11.2016)