Zumindest eines bleibt US-amerikanischen Schülern die nächsten vier Jahre erspart: in der Schule ein Bild von Präsident Trump mit seiner irritierenden Frisur betrachten zu müssen. In amerikanischen Klassenzimmern hängen keine Präsidentenbilder. Das Symbol, dem gegenüber die Schülerschaft bei der täglichen Morgenfeier im "pledge of allegiance" ihre staatsbürgerliche Loyalität ausdrückt, ist die Nationalflagge Stars and Stripes.

In österreichischen Schulen hängt als Repräsentation der Republik und ihrer demokratischen Werte das Foto des Bundespräsidenten. Darüber hinaus ist das Präsidentenbild im wahrsten Sinn des Wortes ein "Vor-Bild" für die heranwachsende Jugend, ein Bild von jemandem, der oder die, (aus)gewählt nach den Kriterien Rechtschaffenheit, Anstand, Lebenserfahrung, gutem politischen Stil und Präsentierbarkeit im Ausland, Österreich im wahrsten Sinn "verkörpert".

Fatale Lektionen

Es wäre naiv zu meinen, politische Bildung und staatsbürgerliche Erziehung erfolgten vorwiegend in den dafür vorgesehenen Unterrichtsstunden. Wie in keinem anderen Lernbereich wirken hier die Familie, der Freundeskreis, die Massenmedien und die sozialen Medien im Internet mit. Als verantwortungsvoller Staatsbürger muss man mit Alarm konstatieren, dass der laufende Präsidentschaftswahlkampf der österreichischen Jugend einige fatale Lektionen in "indirekter" politischer Bildung erteilt, mit wahrscheinlich nachhaltigen Schäden für die schon bisher nicht sehr hoch entwickelte politische Kultur in diesem Lande. Anlass dieser Besorgnis sind Norbert Hofer und der bisherige Stil seines Wahlkampfs.

Norbert Hofer scheint ein fundamentales Problem mit seiner Identität als Österreicher zu haben. Präsident Obama ist stolzer Amerikaner und bekennt bei allen öffentlichen Auftritten "Farbe". Er trägt am Revers seines Rockes ein Stars-and-Stripes-Abzeichen. Auch Norbert Hofer bekennt Farbe, aber nicht die österreichische. Er trägt, wie zahlreiche Fotos belegen, bei Anlässen wie dem Akademikerball nicht ein rot-weiß-rotes Band über seiner Brust, sondern ein schwarz-rot-goldenes.

Er ist Mitglied einer deutschnationalen Burschenschaft, auf deren im Internet einsehbaren "Vereinsinformation" die Wörter "Österreich" oder "österreichisch" nicht vorkommen. Die Vorstellung, dass in österreichischen Schulen in Zukunft ein Foto von jemandem – als Vor-Bild – hängen könnte, der sich zu den ewig gestrigen "Idealen" eines aus dem frühen 19. Jahrhundert stammenden deutschtümelnden Männerbundes bekennt, zu dessen Brauchtumspflege das Aufeinandereinschlagen mit Säbeln zur "Charakterstärkung" und der "geselligen Umtrunk", das heißt, das auf Befehl rasche Saufen größerer Biermengen, gehören, sollte alle österreichischen Eltern von Schulkindern alarmieren.

Gegen den Hofer'schen Missbrauch der Religion im Wahlkampf ("So wahr mir Gott helfe") hätte sich die katholische Amtskirche – so wie die evangelische – durchaus heftiger verwehren können. In den österreichischen Schulen ist für eine angemessene, getrennte Repräsentation von Kirche und Staat gesorgt: Neben dem "weltlichen" Präsidentenbild hängt in den Klassenzimmern üblicherweise das Kruzifix als Ausdruck des Respekts vor der christlichen Bevölkerungsmehrheit. Anstatt der lästerlichen Anrufung des Himmels um Wahlkampfbeistand hätte Norbert Hofer gut daran getan, bei sich selber und bei seinem Wahlkampfteam für politischen Anstand zu sorgen. Seine zynischen Zwischenrufe bei den Fernsehdebatten mit Alexander van der Bellen und seine abwertenden Anspielungen bei Interviews sind "just bad style". Und dass er zulässt, dass Ursula Stenzel für ihn ehrenrührige Drecksarbeit macht und sie nicht für den Rest des Wahlkampfs in einem Knusperhäuschen mitten in einem großen Wald hat einsperren lassen, ist unverzeihlich. Zudem hat sich Norbert Hofer zu Beginn der Kandidatensuche selber "ehrlich gesagt" als zu jung für das Präsidentenamt bezeichnet.

Ein besseres Bild

Nicht bloß die Eltern von Schulkindern sollten sich daher fragen: Wer würde ein besseres Bild sowohl in der Präsidentschaftskanzlei als auch in den österreichischen Klassenzimmern abgeben? Ein von seinem Habitus her gütig und wohlwollend wirkender, gebildeter, lebenserfahrener Professor, der zweifellos über die für das Präsidentenamt erforderliche Altersweisheit, Gravitas und Gelassenheit verfügt, der gut Englisch spricht, der zuerst einmal herzlich lacht, wenn ihn Journalisten mit gefinkelten Fragen aufs Glatteis führen wollen, den man sich gut bei einem ernsthaften Gespräch mit einer Lehrerin im burgenländischen Seewinkel, mit einem Salinenarbeiter im Salzkammergut, mit einem Softwareentwickler im Wiener fünften Bezirk oder mit der schwedischen Königin vorstellen kann? Oder ein deutschnationaler Burschenschafter, der sich bereits mit dem Begriff der österreichischen Nation schwertut?

Darüber wird am Sonntag entschieden. (Karl Heinz Gruber, 29.11.2016)