Architekt David Adjaye ist der Liebling der Kunst- und Modeszene. Das brachte ihm Aufträge auf der ganzen Welt.

Foto: Ed Reeve

Dramatische Finsternis: Das Carriage House hinter der Park Avenue in New York wurde aus (fast) schwarzem Beton errichtet.

Foto: Lyndon Douglas

Das Prinzip der Finsternis verwandelt die wenigen Freiräume rund um das Haus zu düsteren, dramatischen Hinterhausschluchten.

Foto: Lyndon Douglas

Das Dirty House in Shoreditch, London, für das Künstlerpaar Tim Noble und Sue Webster wurde mit fetter Bitumenfarbe gestrichen.

Foto: Ed Sumner

Auf den ersten Blick scheint das Wohnhaus am Sugar Hill in Harlem dunkel und abweisend.

Foto: Wade Zimmerman

Das ändert sich beim Blick hinter die Kulissen: 20 Prozent der Wohnungen werden für Obdachlose zurückgehalten.

Foto: Wade Zimmerman

Der Adjaye Chair ist ein Entwurf für Knoll International.

Foto: Knoll

Er ist der Liebling von "Vogue", "Wallpaper" und "The New Yorker". Zu seinen jüngsten Auftraggebern zählen Barack Obama, der amtierende New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio sowie der frühere UN-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger Kofi Annan. Ganz zu schweigen von der internationalen Kunstszene zwischen London und Hollywood, die bei ihm schon seit Jahren Schlange steht.

"Ich weiß gar nicht, wie das begonnen hat", sagt der Londoner Architekt David Adjaye. "Aber eines Tages habe ich mich wieder einmal auf dem Cover irgendeines Magazins entdeckt und dachte mir: Oh Gott, ich fürchte, ich bin berühmt. Das war einerseits schmeichelnd, aber andererseits gar nicht lustig.

Der Ruhm des 50-jährigen Feschaks mit dem stets leichten Schlafzimmerblick kommt nicht von ungefähr. Zu Beginn hatte Adjaye, 1966 in Tansania geboren, Kunst studiert, doch die Freude und die Hoffnung auf eine lukrative Zukunft weilten nicht lange, und so sattelte er schon nach wenigen Monaten auf Architektur um. "Ich wollte unbedingt etwas Kreatives machen", sagt Adjaye. "Und das schien mir ein sehr guter Kompromiss zwischen etwas Künstlerischem und etwas Handfestem, von dem man im besten Fall auch leben kann."

Adjaye weilte ein Jahr in Japan, wo er sich mit der zeitgenössischen Architektur seiner Vorbilder Toyo Ito, Tadao Ando und Kenzo Tange beschäftigte, und lernte einige Monate in den Studios des Londoner Architekten David Chipperfield sowie des portugiesischen Pritzker-Preisträgers Eduardo Souto de Moura. Es ist am Ende die Nähe zur Kunst, die Liebe zum Sinnlichen, zum kontemplativ Verkopften, zum bisweilen Spröden und Unnahbaren, die ihm geblieben ist und die seine Auftraggeber bis heute schätzen.

Faible für die dunkle Materie

Und sein Faible für die dunkle Materie: Schon seit der ersten Stunde plant und baut David Adjaye fast ausschließlich schwarze Clubs, schwarze Wohnungen, schwarze Atelierhäuser. So auch für den Londoner Maler und Bildhauer Chris Ofili, dem er 1993 auf der Brick Lane zufällig über den Weg läuft und der den Jungarchitekten mit seiner ungewöhnlich finsteren Farbvorliebe in der Kunst-, Mode- und Society-Szene auf einen Schlag bekannt macht. Es folgen Zusammenarbeiten mit Jake Chapman, Jürgen Teller, Alexander McQueen und Ewan McGregor.

Eines der bis zum heutigen Tage radikalsten Projekte des "Starchitekten", wie Adjaye im britischen Boulevard bezeichnet wird, ist das sogenannte Dirty House für das Künstlerpaar Tim Noble und Sue Webster (siehe Foto). Auf den ersten Blick präsentiert sich das "dreckige Haus" wie ein abschreckender Bunker: schwarz, abweisend. Die Fassade des alten, umgenutzten Lagerhauses ist mit einer fetten Bitumenfarbe gestrichen, die üblicherweise als Anti-Graffiti-Schutz eingesetzt wird. Die Fenster sind verdunkelt. Die Eingangstür muss man suchen.

"Ich habe das Schwarz ganz bewusst als abweisende Maßnahme eingesetzt", erklärt der Architekt. "Es ist die Form von Abgrenzung und Distanz, die sich Tim und Sue gewünscht haben. "Doch innerhalb von kürzester Zeit wurde das Dirty House zum hippen Inbegriff von Shoreditch. Meine wochenlang gesuchte Farbe wurde umkodiert, und plötzlich sprachen alle nur noch von Fashion-Schwarz. Von da an habe ich so manchen Szenemenschen magnetisch angezogen."

Auch beim Carriage House in New York, einem 1897 errichteten Kutscherhaus nur wenige Schritte von der Park Avenue entfernt, spielt Schwarz eine essenzielle Rolle (siehe Fotos). Während der straßenseitige Altbau revitalisiert wurde, stellte Adjaye dahinter einen dunklen Bunker aus schwarz eingefärbtem Beton in den Innenhof. Türen, Fensterrahmen, Balkongeländer, Außenwände, ja sogar das eigentlich lichtspendende Atrium folgen dem Prinzip der Finsternis und verwandeln die wenigen Freiräume rund um das Haus zu düsteren, dramatischen Hinterhausschluchten. Den Bewohnern, einer Jungfamilie mit einem Faible für zeitgenössische Kunst, gefällt's.

Schwarz sehen

Warum schwarz? "Warum nicht?", entgegnet der Diplomatensohn, der seine Kindheit und Jugend u. a. in Tansania, Uganda, Ghana, Kenia und Saudi-Arabien verbrachte und im Alter von 13 Jahre in der Schule in London erstmals in seinem Leben mit Ressentiments gegen seine Hautfarbe konfrontiert wurde. "Ich mag Schwarz. Schwarz ist die Reduktion auf das Wesentliche. Es ist jene Farbe, in der Licht, Schatten, Nuancen, Texturen und Tonalitäten am stärksten zur Geltung kommen, weil es keine Reflexion und keine Überbelichtung fürs Auge gibt. In gewisser Weise sind meine schwarzen Häuser auch eine Art Gegenstück zur ewig weißen Moderne."

David Adjaye lacht schelmisch. "Soll ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen?" Er zeigt auf ein paar Fotos von schwarzen Häusern – auf Pavillons, Einfamilienhäuser, Wohnblocks, Geschäftslokale und diverse Kulturbauten in Denver, Washington, Skolkovo. "Es ist nicht alles schwarz, was schwarz scheint. Um ehrlich zu sein: Schwarz kommt in meiner Arbeit kaum vor. In den meisten Fällen handelt es sich um ganz, ganz dunkle Frequenzen von Rot, Blau, Grün, Braun und Violett." Mit dem bloßen Auge ist der Unterschied kaum zu merken. Bei manchen Lichtstimmungen jedoch beginnt die Farbe plötzlich, ein faszinierendes, irisierendes Eigenleben zu entwickeln.

Waren es in den Anfangsjahren vor allem kleinere Privatprojekte für die betuchte Hautevolee, die Adjaye realisierte, wird der Unternehmer, der mittlerweile Büros in London, Berlin, New York und in der ghanaischen Hauptstadt Accra betreibt, immer häufiger zum Stadtmacher und öffentlich-sozialen Gestalter. Letztes Jahr baute er ein Wohn- und Apartmenthaus auf dem sogenannten Sugar Hill in Harlem (Fotos rechts). Der 13-stöckige Bau mit geförderten Wohnungen, Kindertagesstätte und Volksbildungszentrum, errichtet von Broadway Housing Communities (BHS), ist für Singles und Familien mit geringen Einkommen gedacht. 20 Prozent der kleinen Wohnstudios werden für Obdachlose zurückgehalten.

Mehr und mehr treibt es Adjaye zurück zu seinen Wurzeln auf dem Schwarzen Kontinent. Aktuell arbeitet er an einer Kinderkrebsklinik in Kigali, Ruanda, an einem Wohnprojekt in Johannesburg, am Sklavereimuseum in Cape Coast, Ghana, am Weltbank-Hauptquartier in Dakar, an einem Masterplan für ein neues Stadtentwicklungsgebiet in Kampala, Uganda, sowie an der kompletten Neustrukturierung des Präsidentenpalastes in Libreville, Gabun. Erst im Sommer wurde auf der Mall in Washington, D.C., das von ihm geplante Smithsonian National Museum of African American History and Culture eröffnet.

"Architektur hat für mich nichts mit Schönheit zu tun. Was ist schon schön? Das ist nicht mehr als ein subjektives Verständnis einer punktuellen Wahrnehmung." Viel wichtiger, meint Adjaye, der erst kürzlich die Panerai London Design Medal und den mit 100.000 US-Dollar dotierten MIT McDermott Award erhielt, sei es, Bauen als soziales Werkzeug wahrzunehmen. "In den letzten Jahrzehnten hat sich Architektur bedauerlicherweise zu einem Ausdrucksmittel von Geld und Glamour entwickelt. Aber das ist falsch. Für mich ist Architektur eine soziale Sache. Und manchmal ist sie auch ein bisschen unverdaulich und düster und regt zum Denken an. Das ist gut so." (Wojciech Czaja, RONDO Open Haus, 22.7.2016)