Das Steyr-Mannlicher-Werk bei St. Peter in der Au

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Wien/Berlin – Die deutsche Bundesregierung ist darüber informiert, dass Spezialeinheiten der türkischen Polizei über aus Deutschland gelieferte Scharfschützengewehre österreichischer Produktion verfügen. Das geht aus der Beantwortung einer Anfrage der Linken Abgeordneten Sevim Dağdelen im Bundestag hervor.

Dağdelen erkundigte sich, ob die deutsche Regierung ausschließen könne, dass Steyr-Scharfschützengewehre der Type SSG 08 von der Anti-Terror-Einheit "Polis Özel Harekat" im osttürkischen Kurdengebiet eingesetzt würden. Von diesen Gewehren waren 2011 und 2012 600 Stück über eine deutsch-türkische Firma exportiert worden.

Für Spezialeinheit beschafft

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt Michael Roth teilte in seiner Antwort mit, die Bundesregierung gehe davon aus, dass türkische Sicherheitskräfte im Anti-Terror-Einsatz auch Präzisionsgewehre einsetzen. Es sei weiters auch bekannt, dass die Scharfschützengewehre aus der Produktion von Steyr Mannlicher für Spezialeinheiten des türkischen Innenministeriums beschafft wurden. Es sei allerdings nicht bekannt, bei welchen Einsätzen diese Gewehre Verwendung fänden. Die Bundesregierung sei sehr besorgt über die anhaltende Gewalt und rufe die türkische Regierung dazu auf, die Verhältnismäßigkeit zu wahren und die Menschenrechte zu achten, teilte Roth mit.

Die Abgeordnete der Linken erkundigte sich in ihrer Anfrage auch danach, ob die deutsche Regierung die Auffassung vertrete, dass diese Waffen zur Unterdrückung der Menschenrechte in der Türkei eingesetzt werden könnten oder der Verdacht bestehe, dass diese den Konflikt verschärfen könnten. Sie bezog sich damit auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag aller österreichischen Parlamentsfraktionen von vergangener Woche, demzufolge auf Grund der aktuellen Lage in der Türkei keinerlei Lieferungen von Kriegsmaterial, Verteidigungsgütern oder Dual-Use-Gütern für militärische oder polizeiliche Zwecke in die Türkei aus Österreich erfolgen dürfen.

"Differenzierte Einzelfallentscheidung"

Roth antwortete, er kenne den Entschließungsantrag. Betreffend deutsche Rüstungsexporte in die Türkei berief er sich auf das "Prinzip der differenzierten Einzelfallentscheidung". Der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in NATO-Länder sei grundsätzlich nicht zu beschränken. Allerdings könne aus "besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten" sein. Wenn ein Verdacht besteht, dass die Waffen für Repression benutzt werden könnten oder Konflikte auslösen oder verschärfen könnten werde überprüft, ob Gründe für eine Untersagung des Exports vorliegen würden. Diese differenzierte Einzelfallprüfung werde auch im Fall möglicher Genehmigungsanfragen für Exporte in die Türkei angewandt.

Dağdelen, die auch Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linksfraktion im Bundestag und Mitglied im Auswärtigen Ausschusses ist, fordert ein unverzügliches Ausfuhrverbot: "Die Türkei befindet sich im Krieg gegen die Kurden im eigenen Land und ist zudem in Syrien und im Irak völkerrechtswidrig einmarschiert." Die Regierung könne eine Weitergabe von Waffen aus Deutschland an Terrorgruppen in Syrien nicht ausschließen, sagt die Abgeordnete. "Die Bundesregierung erklärte, dass sie spätestens seit Ende 2014 von Warenlieferungen der türkischen Regierung an islamistische Mörderbanden weiß und bezeichnete die Türkei im Sommer als 'zentrale Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens'. Jeder weitere Export von Waffen an diese Türkei fördert womöglich den Terror und ist somit eine im hohen Maße unverantwortliche Politik." (Michael Vosatka, 2.12.2016)