Die einen sehen das einheitliche Stadtbild in Gefahr, die anderen ihre Rechte als Eigentümer. Denkmalschützer klagen, dass die Politik nicht genug für den Erhalt der altehrwürdigen Häuser mache.

Foto: http://www.istockphoto.com/ROMAOSLO

Denkmalschützer schlagen Alarm, denn die Zahl der Abrisse von Gründerzeithäusern hat sich in den vergangenen Monaten beschleunigt. Mit dem Gebäude Bauernmarkt 21, dem Biedermeierhaus in der Breiten Gasse 15 hinter dem Museumsquartier und dem Theophil-Hansen-Hotelbau in der Taborstraße sind die nächsten prominenten Opfer angezählt, zahlreiche weitere Prachtbauten sind laut Denkmalschützern gefährdet.

"Die Stadt Wien wächst, daher wird der Druck, Wohnraum zu schaffen, größer", sagt Markus Landerer, Vorstandsmitglied des Vereins Initiative Denkmalschutz. Eine Bestätigung der Abbruchreife von der Baupolizei zu erhalten, sei einfach. Gleichzeitig sei die Baupolizei eine Blackbox. "Die Originalgutachten bekommen wir nicht, es ist nicht prüfbar, ob sie plausibel sind oder nicht", sagt Landerer.

Schuld am Gründerzeithaussterben haben in Landerers Augen in erster Linie Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Diese fallen laut Landerer vor allem durch leere Worte auf. Vassilakou habe vor einem Jahr "Kein Altbauabriss ohne mein Okay" angekündigt. "Entweder sind dieser Ankündigung keine Taten gefolgt, oder sie hat seither oft okay gesagt", meint Landerer.

Pläne für Tiefgaragen

In Vassilakous Zuständigkeit fällt die Ausweitung von Schutzzonen. Ludwig ist für den Erhalt in den Schutzzonen verantwortlich. Zwar ließ er verkünden, dass schwarze Schafe – sprich illegale Abrisse – mit aller Härte verfolgt würden, "fragt man aber, wie solche Fälle dann tatsächlich bestraft wurden, lautet die Antwort: 'Datenschutz'. Da wird nichts gesagt", sagt Landerer. Er bezweifelt, dass es gröbere Konsequenzen gibt.

Die Eigentümer seien verpflichtet, Objekte in gutem Zustand zu erhalten. Stattdessen würden viele Häuser verfallen, als Belohnung gebe es statt eines Strafverfahrens eine Abrissgenehmigung. Mitverantwortlich seien auch Bezirksvertreter, denn sie könnten Schutzzonenerweiterungen vorschlagen.

"Gründe für den Abriss von Gründerzeithäusern sind eine Stadtplanung, die an deren Stelle eine andere Bebaubarkeit erlaubt, und das Interesse von Bauherren, Tiefgaragen zu bauen, was ohne Haus darüber leichter geht", sagt Friedmund Hueber, Architekt und Mitglied des Denkmalbeirates des Bundesdenkmalamtes.

Schlecht für das Stadtbild

Das sei schlimm für das Stadtbild, weil man früher nicht in Gebäuden, sondern in Straßen- und Platzräumen gedacht habe und die Fassaden aufeinander abgestimmt waren. Heute würden dem nur wenige Häuser gerecht, was für das Stadtbild das Hauptproblem sei. "Dessen Einheit wird dadurch immer mehr durchlöchert und zerstört", sagt Hueber. Dieser Entwicklung müsse man entgegenwirken, etwa dürfe die Bauklasse nicht erhöht werden und eine Aufstockung nur dann genehmigt werden, wenn das Stadtbild erhalten bleibe: "Dann wäre die Begehrlichkeit, Häuser abzureißen, geringer."

Als Bürgerin und Kunsthistorikerin tue es ihr weh, Abrisse wie jüngst am Wiedner Gürtel zu sehen, sagt auch Barbara Neubauer, Präsidentin des Bundesdenkmalamts. Der Denkmalschutz könne dagegen aber nichts tun – zuständig sei der Ortsbildschutz und damit wiederum die Stadt Wien. Außerdem sei die Nachhaltigkeit von Neubauten infrage zu stellen. "Gründerzeithäuser wurden aus vielen Ressourcen gebaut. Wenn das abgerissen wird, ist das Sondermüll", sagt Neubauer. Und bei Neubauten sei die Frage, ob diese Objekte so lange stehen wie ihre Vorgänger. "Es liegt an der Bevölkerung und den Eigentümern, alte Gebäude zu erhalten." Wenn dafür keine Bereitschaft vorhanden sei, werde es schwierig.

Was zunimmt, ist nicht die Anzahl der Abrisse, sondern die Sensibilisierung in der Wahrnehmung, heißt es hingegen aus dem Büro von Stadtrat Ludwig. Seit über vier Jahrzehnten saniere die Stadt abgewohnte Gründerzeitviertel. Anders als in anderen Städten würden in Wien nicht ganze Stadtteile abgerissen und neu aufgebaut. Für die Gutachten würden externe Sachverständige herangezogen, deren Expertisen von der Baupolizei penibel überprüft würden. Der Stadtrat habe eine Änderung der Bauordnung für Wien initiiert, wonach behördliche Abtragungsaufträge nur mehr bei technischer Unmöglichkeit der Sanierung des Gebäudes – somit also so gut wie nie – zu erlassen seien.

Ausweitung der Schutzzonen

Die Richtlinien für Abbruchbewilligungen seien von der Baupolizei deutlich verschärft worden. Hinsichtlich der Bekämpfung von Baumängeln, damit es gar nicht erst zur Abbruchreife komme, sei die MA 37 sehr aktiv, aber auf entsprechende Hinweise von der Bevölkerung angewiesen, heißt es weiter. In Schutzzonen werde keine Abbruchbewilligung leichtfertig erteilt, wird vonseiten des Büros Ludwigs versichert.

Die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou setze sich für die Ausweitung von Schutzzonen ein, heißt es seitens eines Pressesprechers. Das zeige die gerade im Laufen befindliche Ausweitung in Neustift oder die erfolgte im Weißgerberviertel im dritten Bezirk. Die Bauordnung in diesem Bereich sei auf das Drängen von Vassilakou bereits geändert und die Möglichkeiten zur technischen Abbruchreife seien massiv verschärft worden.

Die Bauordnung soll in dieser Legislaturperiode noch weiter überarbeitet werden. Landerers Vorwurf, Vassilakou habe oft "okay" gesagt, wird dahingehend begegnet, dass die Ankündigung von damals lediglich als "Ziel" definiert worden sei. (Thomas Pressberger, 4.12.2016)