Gigls (Matthias Franz Stein, Mitte) tollpatschige Liebeserklärung an Thekla (Daniela Golpashin) kann ein pragmatischer Helfer wie Schnoferl (Thomas Kamper, re.) nur noch verschlimmern.

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Wien – In Nestroys Posse Das Mädl aus der Vorstadt (1841) werden Geldkassen so rücksichtslos geplündert wie die Herzen der Nächstbesten. Und doch obsiegt am Ende von zweieinviertel Stunden Spieldauer im Theater in der Josefstadt die Gerechtigkeit. Anders hätte es Nestroy nicht zugelassen, und anders wäre es auch gar nicht zu ertragen, so selbstgerecht geriert sich da der Herr Spekulant – ein seit jeher geschmähter Berufsstand.

Martin Zauner spielt diesen Spekulanten namens Kauz mit der Gelassenheit eines ewig Triumphierenden, lässt aber auch dessen tiefsitzenden menschlich-abwägenden Kern aufleuchten. Kauz hatte zur eigenen Bereicherung vorgetäuscht, Opfer eines Diebstahls geworden zu sein. Ähnlich scheinheilig praktiziert er die Liebe. Sich einen "Nobligen" rühmend, nähert er sich weit draußen in der Vorstadt den Damen doch entschieden unsittlich.

Kürzlich hatte er die junge Stickerin Thekla (Daniela Golpashin) bedrängt. Schlimmeres konnte dabei der zufällig des Weges kommende Gigl (Matthias Franz Stein) verhindern, der sein beschützerisches Herz gleich an das Vorstadtmädl verlor. Und damit seine bereits weit fortgeschrittenen Verheiratungspläne mit der Witwe Erbsenstein (hinreißend komisch und dynamisch: Michou Friesz) in den Wind schlägt.

Der Zufall will es, dass die gehörnte Braut Erbsenstein partout die Nichte des Spekulanten Kauz ist. Ja, Wien ist klein! Und die kluge Frau riecht den Braten längst. Im Gebirge ihres Hochzeitskleides steckend, schwant ihr der Herzensverlust, während der Schneider Dragoljub (Ljubisa Lupo Gujcic) in der Fassung von Regisseur Michael Schottenberg unterm Rock noch letzte schmerzensreiche Stiche tätigt. Das war ein schönes, freches Anfangsbild, auf das in der Josefstadt allerdings viele biedere folgen.

Im Getriebe des "Tür auf, Tür zu" der ersten beiden Akte erlahmt auch die Kunstsprache Nestroys, sie wirkt glatt und abgestumpft, wie verschluckt. Noch "stummer" sind lediglich die (zum Glück wenigen) Couplets, in denen dann auch die Schauspielerkörper erstarren. Man mag den Fortlauf der Handlung kaum erwarten, in dem der Winkelagent Schnoferl die Fäden in der Hand hat: in Gestalt Thomas Kampers ein kantiger, finsterer Typ.

Im großen Finale auf Kauzens Landsitz öffnet Bühnenbildner Hans Kudlich alle Schleusen. Dem Altherrenschabernack auf und hinter der Hollywoodschaukel sind keine Grenzen gesetzt. Wie patiniert ist das denn? (Margarete Affenzeller, 2.12.2016)