Frankfurt am Main/New York/Frankfurt – Brexit, US-Wahl, "Renzirendum" : Zum Abschluss eines turbulenten Börsenjahres sehnen sich Anleger nach Balsam für ihre aufgewühlten Seelen. Diesen wird Experten zufolge die Europäische Zentralbank (EZB) liefern, wenn sie in der neuen Woche die Fortsetzung ihres Wertpapier-Ankaufprogramms verkündet. "Dr. Draghi verlängert die Therapie", sagt Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert.

EZB-Chef Mario Draghi werde am Donnerstag wohl verkünden, das sogenannte Quantitative Easing (QE), das bisher bis "mindestens März 2017" laufen soll, weitere sechs Monate laufen zu lassen. Das Volumen von monatlich 80 Milliarden Euro werde voraussichtlich unverändert bleiben.

Die Maßnahme der EZB könnte Börsianern zufolge die Grundlage für eine Jahresendrally des Dax legen, der in der alten Woche 1,7 Prozent auf 10.513 Punkte verlor. "Es bleibt zu hoffen, dass das Referendum in Italien nicht nur eine Ausrede für die wochenlange Zurückhaltung war", sagte Jochen Stanzl, Analyst des Online-Brokers CMC Markets. "Denn langfristig ist die Abstimmung in Italien nur eine von vielen lauernden Unsicherheitsfaktoren in der Politik der Euro-Zone. Die Wahlen in Frankreich, den Niederlanden und auch in Deutschland werfen jetzt schon einen langen Schatten auf die Börse."

In der neuen Woche müssen Investoren erst einmal das Ergebnis des Verfassungsreferendums in Italien sowie der Bundespräsidentenwahl in Österreich verdauen. "Beide Abstimmungen könnten den Rechtspopulisten und Europakritikern auf ihrem Weg in die Parlamente und Regierungen Auftrieb verleihen und damit das schon fragile Gebilde Europäische Union weiter beschädigen", warnt CMC-Experte Stanzl. Die EZB will eventuelle Kursturbulenzen allerdings mit verstärkten Stützungskäufen italienischer Staatsanleihen abfedern.

Die neue Woche steht auf der Konjunkturseite ganz im Zeichen der Stimmungsindikatoren. So stehen am Montag die Barometer für die Laune der Einkaufsmanager in den chinesischen, deutschen, europäischen und US-amerikanischen Unternehmen auf dem Terminplan. Am Freitag folgt der von der Universität Michigan ermittelte Index des US-Verbrauchervertrauens. Der private Konsum gilt als Hauptstütze der weltgrößten Volkswirtschaft. An der Wall Street gab sich in der abgelaufenen Woche für den Dow-Jones -Index ein Plus von 0,1 Prozent und für den S&P-500 ein Minus von einem Prozent. Der Nasdaq-Composite musste im Wochenvergleich einen Abschlag von 2,65 Prozent hinnehmen.

Hinweise auf die europäischen Wachstumsaussichten liefern die Zahlen zu den hiesigen Einzelhandelsumsätzen (Montag). Aufmerksam verfolgen würden Investoren außerdem die Zahlen zu den Auftragseingängen (Dienstag) und zur Industrieproduktion (Mittwoch) in Deutschland, sagte ein Börsianer. Nun werde sich zeigen, ob sich die gute Stimmung der deutschen Unternehmen in harten Zahlen niederschlage. "Wir gehen davon aus, dass der Start ins vierte Quartal recht ordentlich war".

Auf Unternehmensseite rücken RWE und E.ON ins Rampenlicht. Am Dienstag entscheidet das deutsche Bundesverfassungsgericht über die milliardenschweren Klagen der Versorger gegen den Atomausstieg. Die Konzerne sehen den Beschluss des Bundes als Enteignung und wollen eine Entschädigung, die sich auf bis zu insgesamt 19 Mrd. Euro belaufen könnte. (APA, 4.12.2016)