Ums Eck besser: Die Tapas im neuen Paco am Alsergrund sind von bemerkenswerter Qualität.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die schiere Menge des Angebots führt dazu, auch ordentlich bestellen zu wollen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Legende, wonach Tapas – spanisch für Deckel – einst erfunden wurden, um das Weinglas mithilfe eines belegten Brotes vor lästigen Wespen und Fliegen zu schützen, ist natürlich kompletter Humbug: Die würden durch saftigen Schinken, gegrillte Meeresfrüchte oder die fermentierten Düfte von Sardellen wohl erst recht zum Schwirren gebracht.

Dem globalen Erfolg der iberischen Tradition des "tapeo", den allabendlichen Aperitif mit mehr oder weniger elaborierten Appetithappen in die Länge zu ziehen (und erst zu nachtschlafender Zeit an Abendmahl zu denken), war das aber nicht abträglich. In den meisten Fällen wurde das Konzept bloß umgedeutet: sich gleich mit Tapas anessen und die "cena" einfach ausfallen lassen.

So ist das auch im neuen Paco, das der Do-&-Co-gestählte Innsbrucker Patrick Troger an jener Ecke bei der Nussdorfer Straße aufgesperrt hat, wo zuvor die Burgerbrater von Chiq Chaq baden gegangen waren. Troger hat dem weitläufigen Lokal eine überlebensgroße Sauskulptur und eine massive, ums Eck laufende Bar verpasst, hinter der auch die offene Küche untergebracht ist.

Nicht günstig aber köstlich

Dazu gibt es Bartische mit Hochstühlen und ein paar Esstische für größere Gruppen. Die eigentliche Attraktion ist aber die Qualität der Küche. Troger konnte sich die Dienste von Raquel García-Sanchez sichern, die zuvor in Wiens erstrangigem Kompetenzzentrum für iberische Schweinereien, bei Ignacio García Vicente in der Vorlaufstraße, sehr elaborierte Herrlichkeiten aus einer Winzküche schickte.

Im Paco tut sie das in größerem Stil, weniger verspielt als bei Ignacio, wo schon mal mit sphärisierten Oliven nach einem elBulli-Rezept und anderen Verrücktheiten experimentiert wurde – aber mit demselben Qualitätsanspruch. Handgeschnittener Rohschinken vom iberischen Eichelschwein ist natürlich Pflicht, zu unfassbarem Aromenschmelz gereift und fachgerecht in nicht zu dünne Fitzel geschnitten. Die (gar nicht so) große Portion ist mit 26 Euro zwar heftig gepreist – wer sich Pata Negra schon einmal im Feinkostgeschäft hat runtersäbeln lassen, wird aber kaum Grund zur Beschwerde haben. Sehr gute Chorizo, saftigen Lomo und Cecina (luftgetrockneten Rinderschinken) der Extraklasse gibt es aber auch, und günstiger dazu.

Butz und Stängel

Tortilla, das quintessenziell iberische Erdäpfel-Zwiebel-Omelett, wird mit saftigem, leicht flüssigem Kern serviert – ideal. Noch besser: knusprige Tortilla de Camarones aus Kichererbsenmehl mit winzigen, luftgetrockneten Shrimps, ein Umami-Booster der süchtig, wegen der hohen Salzigkeit aber auch sehr durstig machenden Art. Ist aber alles nix gegen die frittierten Chipirones, winzige Kalmare, die mit Butz und Stängel im heißen Öl landen und frisches, kraftvolles Meeresaroma unter die knusprige Hülle packen – extrem gut.

Kichererbsen gibt's auch im Ganzen, mit Blattspinat und viel Safran geschmort, zart, cremig, Hülsenfrucht de luxe. Und, weil sie so gut sind, gleich noch einmal Leguminosen: Linsen mit Chorizo in herrlich würzigem Sud. Pulpo alla Gallega, mit nichts als gutem Olivenöl und süßem Paprikapulver, ist das vielleicht beste Gericht des Abends: dicke Schnitten vom massiven Fangarm, wie durch ein Wunder seidig zart und doch kernig gegart, grandios.

Die schiere Menge des Angebots führt dazu, auch ordentlich bestellen zu wollen. Das geht halt schnell ins Geld, weil auch die Cavas und Weine ziemlich forsch kalkuliert sind und man sich in einer Tapasbar schließlich mindestens so sehr antrinken wie an Würzbissen laben will. (Severin Corti, RONDO, 9.12.2016)