Der Disput um die Asylantragsobergrenze – oder, harmloser ausgedrückt: den Richtwert – hat mit der nun endlich geschlagenen Bundespräsidentenwahl etwas gemeinsam: die Länge der Auseinandersetzung. Tatsächlich wird um die Lösung der Frage, ob ab einer bestimmten Zahl eingebrachter Asylbegehren das Stellen weiterer Anträge für Flüchtlinge massiv erschwert werden soll, seit über zehn Monaten gerungen. Und die nun erfolgte Einigung auf den Text und die umfassende Begründung einer Sonderverordnung, mit der dies in Kraft gesetzt werden kann, applaniert nach wie vor den Politstreit nicht, auch die dann bestehenden praktischen und menschenrechtlichen Fragen sind ungelöst.

Die koalitionäre Übereinkunft etwa könnte weiter durch die Frage getrübt werden, ob und wann man die Verordnung in Kraft zu setzen gedenkt. Was wiederum das Praktische betrifft: Wohin sollen bei geltender Sonderverordnung Flüchtlinge gehen, die an der Grenze abgewiesen werden? Sollen sie dort campieren? Befriedigende Antworten auf diese Frage konnte in all den zehn Monaten noch kein einziger Obergrenzenbefürworter geben.

Auch ist die Frage weiterhin akut, ob die Bundesregierung wirklich vorhat, wegen behaupteter Überlastung Österreichs eine Grundfeste internationalen Asylrechts zu brechen: das Recht Verfolgter, ein individuelles Asylverfahren zu durchlaufen. Angesichts abertausender Flüchtlinge und der ausbleibenden EU-Solidarität erschien es im Jänner nachvollziehbar, auf nationale Maßnahmen zur Begrenzung der Asylwerberzahlen zu sinnen.

Heute ist das fraglich – und zwar nicht nur, weil derzeit weniger Asylwerber kommen. Sondern auch deshalb, weil in einer Zeit aufsteigender rechter Parteien, die keinen Respekt vor den Menschenrechten von Nichtstaatsbürgern zeigen, Demokraten hier größte Zurückhaltung üben sollten. (Irene Brickner, 5.12.2016)