Die einen wollten Griesgramix als Dorfhäuptling, die anderen Grobianix, was zur Spaltung der Dorfgemeinschaft führte – so steht es in "Der große Graben", einem der besten Asterix-Alben aller Zeiten, geschrieben. Auch in Österreich ist von einer Spaltung die Rede, doch sie ist genauso Fiktion wie die grandiose Geschichte aus dem gallischen Dorf.

Der künftige Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat in seiner ersten Ansprache nach dem Wahlsieg gegen Norbert Hofer von der "Mär der Spaltung des Landes" gesprochen. Er hat recht: Auch wenn sich in den unterschiedlichen Echokammern auf Facebook & Co vermeintliche Freunde gegenseitig emojisieren und sich bei Besuchen in anderen Blasen bis aufs Blut hassen, heißt das noch lange nicht, dass eine tiefe Schlucht die Landkarte durchpflügt.

Es gibt sie nämlich gar nicht, die klare rechte Reichshälfte. Genauso wenig wie das klare linke Lager. Die Hofer-Wählerschaft hat sich nicht nur aus FPÖ-Wählern zusammengesetzt. Gemäß einer Befragung von Sora würden nur 55 Prozent der Wähler des FPÖ-Kandidaten auch bei der Nationalratswahl für Blau stimmen. Auf der anderen Seite war das Hauptmotiv der Wählerinnen und Wähler Van der Bellens die Verhinderung von Hofer. Diese sehr inhomogene Gruppe setzte sich aus mobilisierten Ex-Nichtwählern, Sympathisanten verschiedenster Parteien, Menschen aus Städten und diesmal noch stärker vom Land zusammen. Es handelte sich um eine temporäre Notwehrgemeinschaft, eine Zweckehe mit Ablaufdatum 4. Dezember, 17.00 Uhr.

Bei der kommenden Nationalratswahl werden die Karten völlig neu gemischt werden. Früher teilten die ehemaligen Großparteien SPÖ und ÖVP Österreich unter sich auf. Dass diese sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr pulverisiert haben, hinterlässt das Land zersplitterter denn je. Die damit einhergehende Individualisierung mündiger Wähler ist eigentlich eine positive Entwicklung, die dem demokratischen Spektrum mehr Buntheit verleihen und auch den Weg für neue Koalitionen ebnen könnte.

Die No-na-Polarisierung und ihre Grenzen

Man muss jedoch die vermeintliche Spaltung von der Polarisierung unterscheiden, die auch in diesem ebenso wie in den vergangenen Bundespräsidentschafts-Wahlkämpfen von beiden Seiten bewusst vorangetrieben worden ist. No na, wenn man zwei sehr unterschiedliche Kandidaten hat. Hätte Van der Bellen nicht vor Hofer gewarnt, hätte er sein Profil nicht bewusst von Hofers unterschieden, hätte er auch nicht gewonnen. Man kann es mit der Polarisierung aber auch übertreiben – beispielsweise durch zu starke Gehässigkeit, die dem auf Dackelblick entschärften FPÖ-Kandidaten zwischendurch entfahren ist.

Obwohl die Spaltung in dieser Ausprägung nicht existiert, wird das Narrativ der Zweiteilung der Gesellschaft nicht verschwinden. Die Nutznießer dieser Geschichte, die blauen Möchtegern-Spalter, können damit ihr Opfer-Image weiter pflegen: Auf der einen Seite des Grabens stehen sie – auf der anderen die "Elite", die sich gegen sie verschworen hat.

Allerdings ist die FPÖ kein Opfer. Sie ist Polarisierungstäter, wie aktuell bei den Attacken gegen die ÖVP zu beobachten ist. Meistens dienen solche Aktionen der Ablenkung, im aktuellen Fall von der Wahlniederlage und einer schwelenden Obmanndebatte zwischen Strache und Hofer. Die FPÖ, die in Umfragen führt, wofür sie auch nicht zu bedauern ist, trägt Verantwortung für den Ton im Land und braucht sich auch nicht wundern, wenn sie für ihre selbstverschuldeten Taten in die Pflicht genommen wird.

Dennoch: Von einer Spaltung sind wir weit entfernt. Sollte es in Zukunft doch noch dazu kommen, liefert Asterix die Lösung. In "Der große Graben" leiten die Gallier am Ende einfach einen Fluss in den Graben, um diesen "überflüssig" zu machen. Die "Brücke der Eintracht" verbindet das linke und das rechte Ufer. Was für eine schöne Geschichte. (Rainer Schüller, 8.12.2016)