Die Bar Vitelli in Savoca, einem Bergdorf in Sizilien. Hier hört man auch heute in Endlosschleife die melancholische "Godfather"-Filmmusik von Nino Rota.

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Die sizilianische Touristenstadt Taormina: Im Hintergrund rührt sich der Ätna.

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Touristen stehen Schlange, um von der Küste Taorminas durch das seichte Wasser zur Isola Bella zu waten.

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Da war sie wieder, diese Melodie, die man seinerzeit nach dem ersten Mal "The Godfather" ("Der Pate", 1972) im Kino im Ohr hatte und wochenlang nicht mehr loswurde. Klänge von Nino Rota, die voller Weltschmerz die Geschichte des Mafiabosses Don Vito Corleone (Marlon Brando) und seiner Familie untermalten. Nur war man diesmal nicht im Kino, sondern auf einem Platz im Bergdorf Savoca in Sizilien vor einer Skulptur, die die Umrisse des großen "Godfather"-Regisseurs Francis Ford Coppola mitsamt Kamera darstellt.

Hier, nordwestlich der Touristenhochburg Taormina, drehte das Filmteam einen Teil der italienischen Episode des Filmklassikers: Michael Corleone (Al Pacino), der Sohn des Paten, versteckt sich nach einem Doppelmord an Feinden seiner Familie für einige Zeit, verliebt sich, heiratet und verliert seine Frau bei einem Attentat. Coppola verlegte die Szenen, die in Corleone spielen sollten, hierher, weil das Original längst kein Dorf, sondern mittlerweile eine Stadt war.

Musik in Endlosschleife

Savoca lebt von diesem Film und seiner Geschichte, weshalb die Bar, die im Film Vitelli genannt wurde, heute noch so heißt. Natürlich werden auch hier in einer Endlosschleife Nino Rotas Melodien gespielt. Deutsche Touristen versuchen sich im korrekten Zitieren von Sätzen aus dem Filmdrehbuch: "In Sizilien sind Frauen gefährlicher als Schießeisen" oder noch viel populärer: "Ich werde ihm ein Angebot machen, das er nicht ablehnen kann". Die Frage an die Kellnerin, wie oft sie die Melodien des Films gehört hat, beantwortet sie mit einer wegwerfenden Handbewegung, die wohl "Ich habe aufgehört zu zählen" bedeutet.

44 Jahre nachdem der Film gedreht wurde, gibt es immer noch Marlon-Brando-Feuerzeuge, "Godfather"-Postkarten, "Godfather"-T-Shirts und manche schauen so aus, als würden sie seit damals hier zum Verkauf angeboten werden. Francis Ford Coppola wusste schon, warum er unbedingt hier drehen wollte. Das Dorf ist das, was viele Reiseführer etwas abgedroschen als "malerisch" bezeichnen, es lädt zu langen Spaziergängen ein, die Aussicht auf die Region ist beeindruckend. Ob die Mafia hier heute noch aktiv ist, will man gar nicht wissen.

Mumien in Katakomben

Schnell merkt man, dass es in Savoca an Attraktionen mit Ausnahme der Bar, der Drehplätze und der schauerlich schönen Mumien in den Katakomben des Kapuzinerklosters nicht eben viel gibt. Dennoch hat es sich ausgezahlt, mit der "Godfather"-Tour des Busreisenanbieters aus Taormina hierherzufahren. Wenngleich man die über Kopfhörer angebotenen Erklärungen nicht auf Deutsch hören sollte, denn das klingt wie eine unbearbeitete Fassung von Google Translate.

Auf der Fahrt wird den Gästen mit Nachdruck vorgeführt, warum Sizilien auch abgesehen vom Mafiaklassiker als Filmkulisse immer sehr beliebt war: Sonne, Meer, eine Landschaft, die mit Bergen und dem Vulkan Ätna auch einiges an Dramatik zu bieten hat – da lässt es sich schon prächtig Geschichten von rührenden, gefühlsstarken und bigotten Figuren erzählen, wie man sie in Sizilien vermuten darf. Taormina selbst war der Drehort von Roberto Benignis "Il piccolo diavolo" ("Ein himmlischer Teufel", 1988) und "Johnny Stecchino" (1991).

Die Stadt, deren Ortskern am Monte Tauro 200 Meter über dem Meeresspiegel liegt, lässt sich auf Straßen und zu Fuß über eine lange, schweißtreibende Treppe erreichen. Auch eine Seilbahn verbindet die Strände mit dem Zentrum. Bis heute findet hier ein Filmfestival statt. Einst sah man hier die großen Stars, schön und strahlend, von Sophia Loren bis Cary Grant, Elizabeth Taylor, Warren Beatty, Robert de Niro oder Audrey Hepburn.

Italienische Scheidung

Heute kommt niemand mehr, bedauert der redselige Kellner in der schicken Bam Bar im Zentrum, wo es wahrscheinlich den besten Kaffee und die beste Granita der Stadt gibt. Er hat sie natürlich alle gesehen, er hat sie getroffen, die Ikonen, deren Bilder heute nur mehr auf Postkartenständern zu sehen sind – und wenn das alles nicht ganz wahr sein sollte, dann ist es wenigstens gut erfunden und unterhält die zahlreichen Touristen.

Auch Marcello Mastroianni spazierte einst durch die Straßen, weil er in Sizilien einen seiner erfolgreichsten Filme drehte: "Divorzio all' italiana" ("Scheidung auf italienisch", 1961) von Pietro Germi, die Geschichte eines arroganten, selbstverliebten Barons, der seine Frau durch Mord loswerden will, um seine 16-jährige Cousine heiraten zu können. Scheidung war einst im italienischen Eherecht nicht vorgesehen. Auf der Isola Bella unweit vom Stadtteil Taorminas, der an der Küste liegt, erschießt er die Gemahlin schließlich und geht dafür einige wenige Jahre ins Gefängnis.

Heute ist diese kleine Insel ein Naturschutzgebiet. Touristen stehen Schlange, um von der Küste Taorminas durch das seichte Wasser zur Isola Bella zu waten, sonnen sich dort oder kommen sofort wieder retour. Musik liegt auch hier in der Luft. Sie klingt dramatisch nach Weltschmerz. (Peter Illetschko, 13.12.2016)