ÖVP-Gesundheitssprecher Rasinger versteht die ärztliche Sorge.

Foto: Standard/Newald

Wien – In einem sind sich alle Beteiligten einig: Auch wenn die Bund-Länder-Vereinbarung für den Finanzausgleich im Gesundheitsbereich am Mittwoch im Nationalrat beschlossen wird, ist das noch lange nicht das letzte Kapitel im Ringen um die Gesundheitsreform.

Für die Ärztekammer ist ihr Protestmarsch an diesem Tag "eine Mahnung an die Politik", wie Johannes Steinhart, Vizepräsident der Ärztekammer, im Gespräch mit dem STANDARD betont: "Es ist ein stiller Appell in weißen Mänteln, alles noch einmal zu überdenken." Doch der Streik aller niedergelassenen Allgemeinmediziner in Wien, Burgenland und Kärnten spricht eine andere Sprache. Die Standesvertretung will um den Hausarzt kämpfen und gegen Primärversorgungsmodelle protestieren. In den neuen Einheiten sollen mehrere Allgemeinmediziner mit anderen Gesundheitsberufen zusammenarbeiten und vor allem durch längere Öffnungszeiten den Patienten entgegenkommen.

Rasinger: Zustimmung, aber Bedenken

Die Vereinbarung gebe damit eine Richtung für die nächsten fünf Jahre vor, sagt Erwin Rasinger, Gesundheitssprecher der ÖVP. Er ist selbst Hausarzt und wird das Gesetz mitbeschließen, kann die Bedenken seiner Kollegen aber nachvollziehen: "Das Gesetz birgt zugleich Chancen und Risiken", sagt Rasinger zum STANDARD. Theoretisch sei es nun möglich, dass auch Konzerne und Investoren Primärversorgungseinheiten betreiben, das könne nicht das Ziel sein.

Steinhart sieht in diesem Konzept überhaupt eine "Mogelpackung". Es sei keine Reform, die wohnortnahe Versorgung werde zerstört: "Es verbessert sich dadurch fast nichts." Steinhart sorgt sich um den Hausarzt, er werde zurückgedrängt und der Gesamtvertrag sei in Gefahr.

Oberhauser schreibt an Ärzte

Dieses Argument versucht Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) in einem Brief an alle niedergelassenen Ärzte zu entkräften. Sie mahnt eine sachliche Diskussion ein, der Ärztekammer richtet sie via ORF-Radio aus: "Das ist eine Propaganda, die mir nicht gefällt." Es werde bewusst mit Falschinformationen gearbeitet. Oberhauser will zwar neue Modelle der Primärversorgung etablieren, dennoch werden Hausärzte weiterhin eine zentrale Rolle spielen, heißt es in dem Schreiben, das unter anderem auch von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) und Hauptverbandschefin Ulrike Rabmer-Koller unterzeichnet wurde.

Einmal mehr betont die Ressortchefin, dass die Vereinbarungen die Planung im Gesundheitswesen insgesamt betreffe, nicht aber den Gesamtvertrag, der zwischen Ärzten und Sozialversicherung ausverhandelt wird. Die neuen Modelle der Primärversorgung sollen zwar verstärkt gefördert werden, in bestehende Verträge der Hausärzte werde aber nicht eingegriffen. "Menschen zu erklären, dass wir ihnen den Hausarzt wegnehmen wollen, ist schlichtweg eine Lüge", zeigt sich die Gesundheitsministerin verärgert. Es sei nicht ihre die Intention, eine Parallelstruktur aufzubauen, die Hausärzte verdränge.

Steinhart sieht das kritischer. Primärversorgungseinheiten würden keiner Bedarfsprüfung unterliegen, daher bestehe die Gefahr, den Hausarzt zu entmachten. Doch hier greift die Standesvertretung weit vor. Dieser Protest richtet sich gegen das Primärversorgungsgesetz, das derzeit auf Eis liegt und gegen das sich die Kammer massiv wehrt. Oberhauser ist dennoch optimistisch, sie will daran festhalten und hofft auf eine Einigung im nächsten Halbjahr. (Marie-Theres Egyed, 13.12.2016)