Simple Alltagstätigkeiten können schon heute von Robotern übernommen werden.

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Michaela Pfadenhauer erforscht unter anderem die Herausforderungen der Social Robotics für unsere Gesellschaft.

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Können Roboter Arbeitskräfte wie Pflegepersonal entlasten, ohne den Arbeitsplatz an sich zu vernichten? Diese Frage und auch das Thema der sozialen Komponente von "Artificial Companions" darf nicht unbeantwortet bleiben. Michaela Pfadenhauer, Soziologin an der Universität Wien, steht der Community Rede und Antwort zu diesem Thema. Im Rahmen der "Semesterfrage", die die Universität Wien gemeinsam mit derStandard.at stellt, haben interessierte User im Eingangsartikel "Wie Roboter uns einmal pflegen werden" ihre Fragen und Anmerkungen gestellt.

Michaela Pfadenhauer: Die Auswirkung der Robotikentwicklung auf Arbeitsplätze ist eine wichtige Frage. Gerade da, wo Roboter in der industriellen Fertigung eingesetzt werden, kommt es zu Rationalisierung, also zur Einsparung von Arbeitsplätzen durch Maschinen. Das wird seit vielen Jahren intensiv untersucht, so auch an meiner früheren Wirkungsstätte, dem Karlsruher Institut für Technologie. Bei Robotik reagieren wir aber fast reflexartig mit der Vorstellung eines Ersatzes. Wir können uns Roboter nur anstelle von Menschen vorstellen –anstatt mit diesen gemeinsam. Ich schlage stattdessen eine weitere Perspektive vor, indem man danach fragt, was mit Berufstätigkeiten ebenso wie mit der privaten Lebensführung passiert, wenn Roboter ein Teil davon werden. So wie sich durch viele andere technische Innovationen wie Dampfmaschine, Auto, Telefon, Computer und neuerdings auch das Handy vieles verändert hat. Das kann wünschenswerte, also entlastende, Konsequenzen haben, wie Sie schreiben, oder auch problematisch sein. Erkennen können wir das nur, wenn wir diese Frage gedanklich überhaupt zulassen.

Pfadenhauer: Ausschlaggebend für Veränderungen im Pflegesektor wird sicherlich nicht die Robotik sein. Relevant hierfür ist vielmehr das, was man die Logik der Organisation nennen könnte. Im Laufe meiner Forschung habe ich eine ganze Reihe von Pflegezentren und Seniorenheimen besuchen dürfen. Darunter waren mehrere, in denen später zu leben ich mir sofort vorstellen könnte. Diese Einrichtungen haben unterschiedliche Abteilungen, in denen sehr individuell auf den jeweiligen Unterstützungsbedarf, aber auch auf verschiedene Lebensgewohnheiten, wie frühes oder spätes Aufstehen, und unterschiedliche Wünsche nach Geselligkeit ohne Teilnahmezwang eingegangen werden kann. Beeindruckt war ich von der Vielseitigkeit und Flexibilität einiger Abteilungen für Menschen, die in ihrem jeweiligen demenziellen Prozess stehen. Selbstverständlich hängt das von den finanziellen Möglichkeiten des Trägers ab, aber es waren keineswegs nur privat geführte Häuser.

Pfadenhauer: "Menschine" ist eine ebenso interessante Begriffsneuschöpfung wie "satzzeichenstandardisierte menschliche Pflegekraft". Ich rätsele noch ein wenig, was Sie und ob Sie damit dasselbe meinen: vermutlich jemanden, der ohne merkliches Engagement und Zuwendung seine pflegerische Tätigkeit ausführt. So bedauerlich das ist, wir sollten dabei nicht vergessen, dass dies weniger mit der Person als mit Organisationsstrukturen und anderen Weichenstellungen im Gesundheitsbereich zu tun haben muss. Die Vorstellung, dass Maschinen "Geist", also Vernunft, aber auch ein Seelenleben oder sonstige innere Vorgänge entwickeln können, ist mindestens so ambitioniert wie die von künstlicher Intelligenz. Bei solchen Gleichsetzungen mit menschlichen Möglichkeiten kommt mir immer die Bemerkung eines britischen Kollegen in den Sinn, der mir auf einem Symposium in Wien die Frage gestellt hat, ob wir in Bezug auf Roboter nicht viel mehr auf die Unterschiede zum Menschen achten sollten.

Pfadenhauer: Sie weisen auf einen wichtigen Punkt hin: Unsere Vorstellungen von den wünschenswerten oder auch beängstigenden Möglichkeiten der Robotik speisen sich zu großen Teilen aus Fiktionen, die uns in Büchern, Filmen und zum Teil sehr gut gemachten Serien begegnen. Hier scheint alles möglich, bis hin zu der Vorstellung, dass wir uns in Roboter verlieben und sie die Weltherrschaft übernehmen. Auch Demovideos aus Forschungslaboren sind häufig geschnittene Hochglanzprodukte, aus denen Pannen und Fehlschläge der Technik großzügig entfernt wurden. Und wenn sie vereinzelt außerhalb der geschützten Laborumgebung eingesetzt werden, muss die Umgebung sorgfältig darauf vorbereitet werden. Leute müssen eingewiesen und Räume umgebaut werden. Deshalb legen wir in unserer soziologischen Forschung so viel Wert auf die Beobachtung von Robotern, die uns in unserer alltäglichen Umgebung bei unseren Alltagstätigkeiten begegnen, um hier ein realistisches Bild zu gewinnen.

Pfadenhauer: Ihrem letzten Satz stimme ich zu und ergänze: nicht nur gebrechliche, sondern alle pflegebedürftigen Menschen. Wenn wir nicht sofort davon ausgehen, dass Roboter Pflegekräfte ersetzen, sondern – wie andere Technik auch – in diese Tätigkeit integriert werden, handelt es sich immer noch um "menschengemachte Pflege", allerdings in veränderter Form. Mit diesen Veränderungen müssen wir uns befassen – das gilt ebenso für die Automatisierung in der industriellen Fertigung. (Michaela Pfadenhauer, 15.12.2016)