Im "Hotel Universale" ist ein Unersättlicher verkleidet auf der Suche nach einer Überdosis an damenhafter Zuneigung: Nathan Gunn (als Don Giovanni) im Theater an der Wien.

Foto: Werner Kmetitsch

Wien – Die laufende Opernsaison scheint spannend – aber vorwiegend aus unkünstlerischen Gründen. Alles rätselt, wer ab 2020 die Staatsoper leiten wird, wen Kulturminister Thomas Drozda bald beauftragen wird, die Nachfolge von Dominik Meyer anzutreten. Neben Meyer selbst, der sich beworben hat, wurden schon alle Management- und Dirigiergrößen zwischen Bregenz, München, Berlin, Mailand, Zürich, Amsterdam, Dresden, Cleveland und Hamburg genannt. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit dürfen natürlich auch Paris und selbstredend Wien nicht unerwähnt bleiben. Auch sie beherbergen Angefragte und ehrgeizige Bewerber.

Also viel Stoff zum Fantasieren. Und bis zum Auftritt der alten, aber frischen Giovanni-Inszenierung von Keith Warner am Theater an der Wien schien Gewissheit: Die Direktorenraterei war prickelnder als alles, was seit Oktober (an Staatsoper, Volksoper und im Theater an der Wien) premierenartig aufgetischt wurde.

Mit der Giovanni-Wiederkehr (einst wurde dies Theater mit der Produktion zum Opernhaus) scheint jedoch die fast verwelkte Hoffnung belebt, in der Musikmetropole wäre gleichzeitig glaubhaft-lebendiges und spannend an der Musik orientiertes Musitheater noch möglich.

Existenzen in Grenzbereichen

Warner beherrscht nicht nur die elegante Raumverwandlung, lässt das "Hotel Universale", in dem Giovanni auf Herzenssuche geht, von einer Empfangshalle mit Aufzügen zum Seelenlabyrinth aus Zimmern und Gängen mutieren. Auch seine Figuren sind nie Posen auf Beinen, vielmehr Existenzen in Grenzbereichen, die auch Humoriges zulassen.

Bis Giovanni blutverschmiert in seinem Sarkophag landet, sind auch fantasievolle Auslegungen von Register- und Anbandlungsarie zu erleben. Im Detail: Masetto (Tareq Nazmi) verliert virtuos seine Hose, der Commendatore (imposant Lars Woldt) seinen Kopf. Donna Anna (prägnant, aber etwa zu druckvoll Jane Archibald) scheint das Ableben ihres Vaters nicht ungelegen zu kommen, während Donna Elvira (intensiv Jennifer Larmore) die Furie gibt.

Da ist Don Ottavio (wunderbar lyrisch Saimir Pirgu) eher auf der melancholischen Seite, während Zerlina (impulsiv Mari Eriksmoen) dem Flatterhaften huldigt. Auch Nathan Gunn (28. und 31.12 ist Erwin Schrott Giovanni) macht als Unruheherd glänzende Figur. Es ist nämlich hohe Schauspielkunst, was er, der Hollywoodmimen Russell Crowe ähnelt, bietet. Gesanglich bleibt er im respektablen Bereich, wie auch Jonathan Lemalu (Leporello), der das Verstelldichein in Schwung hält, wie Dirigent Ivor Bolton. Mit dem Mozarteum Orchester liefert er facettenreiche Kommentare zwischen ruppigem Akzent und poetischem Innehalten. Intonatorische Zwischendurchermüdung inklusive.

Reichlich und zurecht Applaus. Schade eigentlich, dass keine Operninszenierung zum Staatsoperndirektor gekürt werden kann. (Ljubisa Tosic, 14.12.2016)