"Framing heißt, seine politische Seele möglichst authentisch begreifbar zu machen", sagt Elisabeth Wehling, deutsche Sprach- und Kognitionswissenschafterin.

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Die "politischen Debatten an direkte Welterfahrung anzubinden", diese Möglichkeit biete Framing, sagt die Linguistin Elisabeth Wehling. An ihr kommt derzeit niemand vorbei, der sich mit Ideologieforschung beschäftigt. Deswegen haben sie die Wiener Bildungsakademie und die SPÖ-Frauen kürzlich in den "Denkraum" im Wiener Ega-Frauenzentrum eingeladen. Das Thema: "Sprache als politisches Instrument". Das allein wäre nicht neu. Neu ist, woran Wehling an der University of California in Berkeley forscht: einer Kombination aus Neuro- und Verhaltensforschung plus einer Prise "konzeptueller Diskursanalyse".

Klingt kompliziert, aber aus dem Mund von Wehling selbst ganz einfach: Es gehe schlicht darum, wie Sprache unser Denken und unser Handeln beeinflusst. Eine "schmutzige Steueraffäre" zum Beispiel löse bei den Menschen "physischen Ekel" aus, wir röchen förmlich den fauligen Fisch. Die "Steuerlast" eröffne den Denkrahmen "Last", also ein konkretes negatives Bild. Wer Steuern politisch als sinnvolles Instrument der Solidarität verstehe, solle also tunlichst nicht mit diesem Frame oder Denkrahmen arbeiten. Beim Framing gehe es aber nicht darum, die Menschen zu manipulieren. "Framing heißt, seine politische Seele möglichst authentisch begreifbar zu machen", sagt Wehling. Nützlich sei dabei das Verwenden von Begriffen der direkten Sinnenserfahrung: das Riechen, Schmecken, Hören zum Beispiel.

"Der" oder "die" Schlüssel zum Erfolg

Was aber hat Framing mit Feminismus zu tun? Wehling erläutert das an einem Beispiel: Während es im Englischen nur einen neutralen Artikel gebe, unterscheiden das Deutsche und das Spanische nach Geschlecht. Nun ist "die Brücke" aber auf Spanisch männlich, "der Schlüssel" hingegen weiblich. Was bedeutet das für unsere Sicht auf die Welt? Eine Studie habe ergeben, dass Schlüssel für die Spanier "klein, komplex und niedlich" seien, für Deutsche eher kühl und kantig.

Feministische Männer einbeziehen

Ähnliches habe eine Langzeitstudie zu Wirbelstürmen ergeben: Weiblich benannt würden Stürme als eher weniger gefährlich eingeschätzt, Lilly also als harmloser als Tom, was zu späteren Evakuierungen und mehr Verletzten oder sogar Toten führe. Sprache gehe also tatsächlich in Handeln über. Deswegen stelle sich umso mehr die Frage: Wie sprechen wir über die Marginalisierung von Frauen? Wehling bringt das Beispiel vom "Frauenhaus". Dabei falle unter den Tisch, dass "90 Prozent der Fälle von Gewalt von Männern ausgehen", das sei ein großes "Framingproblem". Dabei gehe es darum, Frauen zu stärken – das solle bei den Bildern und Begriffen bedacht werden, die in Broschüren zum Thema verwendet werden. Allerdings sei die Spaltung in der Gesellschaft "ideologisch und keine der Geschlechter". Es wäre klug, feministische Männer stärker einzubeziehen.

Dass es auch viele sexistische Frauen gebe, habe zum Beispiel die US-Wahl gezeigt: Viele Frauen hätten Donald Trump gewählt, obwohl er offenkundig ein Sexist sei – eben weil das keine Frage des Geschlechts, sondern der Ideologie sei.

Rund ein Drittel der Gesellschaft ordnet Wehling dem "fürsorglichen" oder solidarisch aufgeschlossenen Sektor zu, ein Drittel dem harten, konservativen – ein weiteres Drittel sei schwankend in der Mitte angesiedelt. Diese Menschen könne man mit Framing erreichen, aber "nicht erst, wenn eine Wahl ansteht". Die PolitikerInnen sollten "vier Jahre vorher" anfangen. Insgesamt gehe es darum, "Gefahren und Hoffnungen authentisch zu benennen". (Tanja Paar, 15.12.2016)