Eva Glawischnig hat bereits mehr als vierzig Verfahren gegen die Verfasser von Hasspostings geführt. "Die meisten gewonnen, keines verloren", sagt die Grünen-Chefin.

Foto: Heribert Corn

Wien – Eva Glawischnig? Eine "Einfrauendiktatorin", neben den männlichen Kollegen aber dennoch ein "kleines Teelichterl". Darüber hinaus "publicitygeil", "selbstverliebt" und "abgehoben". Sie spreche in "Babysprache", die "Genderwahnsinnige". An den digitalen Stammtischen ist man sich derzeit ziemlich einig: "Es wäre auch wieder einmal ein Mann gefragt, um die Partei aus dem Hühner-Ghetto-Image herauszuholen." Like! Das Problem: Bei dem "Weiberhaufen", der "Mäderl-Partie um die Eva" haben die Kerle keine Chance. Like! Like!

Alles Zitate aus Facebook-Einträgen und Online-Foren zu Artikeln über den Streit zwischen der Bundessprecherin Eva Glawischnig und dem Parteiurgestein und Abgeordneten Peter Pilz über die zukünftige Ausrichtung der Grünen. Auf derStandard.at wurde ein Artikel zum Thema in den ersten 24 Stunden nach Veröffentlichung rund 2.500-mal kommentiert. Zusätzlich mussten etwa 200 Postings von den Moderatoren gelöscht werden – weil es sich um respektlose, beleidigende oder unsachliche Äußerungen handelte. Häufig waren es Bemerkungen über das Aussehen der Politikerin.

Das Phänomen betrifft nicht nur Glawischnig: "Frauen stellen die Mehrheit der Wahlbevölkerung, sind in der Politik aber extremst untervertreten. Die meisten Österreicher haben das Rollenverständnis eines männlichen Politikers", sagt der Politologe Peter Filzmaier. "Politikerinnen sind deshalb von Anfang an mit Fragen zu ihrem Privat- und Familienleben konfrontiert und müssen sich immer wieder mit billigsten Stereotypen herumschlagen." Beispiele solcher Klischees seien, dass Frauen weniger Führungsqualität hätten oder schlechte Mütter seien, wenn sie Karriere machen.

"Frauen haben es in der Politik auf jeden Fall schwieriger, sie werden kritischer betrachtet", sagt die Unternehmerin und Ex-ÖVP-Politikerin Maria Rauch-Kallat, die unter Kanzler Wolfgang Schüssel auch Frauenministerin war. "Männer gehen im grauen Anzug durch alle Institutionen, bei Frauen ist das Kleid entweder zu weit oder zu eng." Rauch-Kallat beobachte in den vergangenen Jahren eine "offensichtliche Zunahme" an Sexismus.

Frauen überholen

Ihre Theorie: "Langsam, aber doch haben Männer mitbekommen, dass jeder Posten für eine Frau einer weniger für sie bedeutet", sagt Rauch-Kallat. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hätten Frauen schließlich auch betreffend der Studienabschlüsse ihre männlichen Kollegen überholt – sind also immer besser ausgebildet. "Seither haben die Verhinderungsmechanismen eingesetzt."

Filzmaier glaubt, dass zumindest "direkter Sexismus" in den traditionellen Medien und im politischen Diskurs abgenommen habe. Ein Beispiel aus dem Archiv: Die "Lutsch-Affäre" aus dem Jahr 1993, als der ÖVP-Abgeordnete Paul Burgstaller zur Grünen Terezija Stoisits, als diese ein Mikrofon in die Hand nahm, gesagt haben soll: "In den Mund nehmen und fest dran lutschen." Heute würden hingegen unterschwellige Bemerkungen mehr werden, sagt der Politologe.

Im Internet nehme der offene Hass gegen Frauen in den vergangenen Jahren aber dramatisch zu, ist Glawischnig überzeugt. Sie hat inzwischen mehr als vierzig Verfahren gegen die Verfasser von Postings geführt, den "Großteil gewonnen und kein einziges verloren", wie die Grünen-Chefin betont. "Man muss hier klar eine rote Linie ziehen. Gewaltaufrufe, Vergewaltigungsdrohungen – so etwas dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Ich verstehe nicht, warum ich die einzige Politikerin bin, die klagt."

Erstmals breit diskutiert wurde das Thema Sexismus im Internet im Jahr 2014. Die damalige Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) postete damals ein Bild von sich und der neuen Version der Bundeshymne – also inklusive "Töchter" – als "Lernhilfe" für den Sänger Andreas Gabalier, der die zusätzliche Zeile nicht singen wollte. Sie wurde daraufhin wüst beschimpft und bedroht.

"Durch Angstmache sollen Frauen aus der Öffentlichkeit verdrängt werden" , sagt Glawischnig. Frei von Sexismus seien allerdings nicht einmal die Grünen: "Vor kulturellem und strukturellem Machismus in Sitzungen sind auch wir nicht gefeit."

Die "demokratiepolitisch traurige Folge" von Sexismus im Netz sei jedenfalls, dass noch weniger Frauen in die Politik wollen, sagt Filzmaier. Immerhin einen Rekord hält Österreich aber: Der heimische Bundesrat war weltweit das erste parlamentarische Organ, das von einer Frau geführt wurde. Im Jahr 1927. (Katharina Mittelstaedt, 16.12.2016)