Im Winter sind nicht nur die Skipisten überlaufen, auch die Unfallchirurgien haben Vollbetrieb.

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Wien – "Skisaison ist Kniesaison", das weiß Michael Enenkel aus Erfahrung. Er ist Leiter des Spezialteams für Knie-rekonstruktive Eingriffe im Orthopädischen Spital Speising. Daten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit zufolge mussten in der vergangenen Saison rund 26.000 Wintersportler ihre Verletzungen etwa in einer Unfallambulanz behandeln lassen. Platz eins in der Liste der ramponierten Körperteile: das Knie. "Das ist etwa ein Drittel aller Verletzungen", sagt Christian Wurnig, Leiter der Abteilung für Sportorthopädie. Etwa die Hälfte dieser Sportunfälle endet mit einem gerissenen Kreuzband.

"Je sportlicher und aktiver ein Mensch ist, desto wichtiger ist die Behandlung eines vorderen Kreuzbandrisses", so Wurnig. Den Betroffenen bleiben zwei Möglichkeiten: Eine konservative Rehabilitationstherapie, die auf eine Stärkung der Muskeln setzt. Dadurch soll das Gelenk trotz des beschädigten Kreuzbandes stabilisiert werden. Oder die Operation, bei der das vordere Kreuzband durch eine körpereigene Sehne ersetzt wird. Infrage kommt dafür entweder eine Sehne des hinteren Oberschenkels oder die Patellasehne.

Das Problem: Für die Operation entnimmt der Chirurg die gesamte Sehne. "Dadurch wird auch die Durchblutung unterbrochen. In manchen Fällen führt das zum Absterben der Sehne im Knie oder zu nochmaligen Rissen des ersetzten Bandes", betont Patrick Weninger, Unfallchirurg des Spitals. Außerdem kann sich der Heilungs- und Remodelling-Prozess – bis sich also die Sehne zum Band "entwickelt" hat – verzögern. "In der Regel dauert das ein bis drei Jahre", wie der Experte ergänzt.

Lebende Kreuzbandsehne

Diese lange Zeit könnte durch eine neue Methode verkürzt werden. "Wo die Durchblutung gut ist, ist auch die Heilung gut", sagt Weninger. Gemeinsam mit Medizinern vom Institut für Anatomie und Zellbiologie der Med-Uni Wien hat er eine OP-Methode entwickelt, bei der die Durchblutung des Ersatzbandes nicht unterbrochen wird. "Die Sehne wird vom Oberschenkel abgetrennt, bleibt aber am anderen Ende, dem Schienbein, dran. Von dort kann man sie bis zum Knie hochziehen, sie bleibt permanent durchblutet", so der Unfallchirurg.

Die Operation wurde allerdings bislang nur an zehn Kniemodellen des Anatomischen Instituts getestet, im Frühjahr 2017 will er sie zum ersten Mal am lebenden Patienten durchführen. Die Hoffnung des Mediziners: Die Sehne sollte schneller in das Kniegelenk einwachsen. Auch die Umwandlung in eine bandartige Struktur müsste deutlich zügiger erfolgen. Im schlimmsten Fall bleibt die Dauer des Heilungsprozesses gleich – eine Verschlechterung ist keinesfalls zu erwarten", resümiert der Experte. (gueb, 19.12.2016)