Wenn Gästelärm auf der Straße die Anrainer stört, kann der Wirt mit einer früheren Sperrstunde bestraft werden.

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Wien – Die Gewerbeordnung macht Gastronomen nicht nur für den Geräuschpegel im Lokal verantwortlich, sondern auch für den der Gäste vor der Türe. Doch ab wann ist ein Mensch ein Gast? Dieser Frage werden sich wohl über kurz oder lang alle Wirte stellen müssen. Spätestens wenn im Mai 2018 rauchende Gäste vor die Tür verbannt werden. Denn Anrainerbeschwerden können durchaus empfindliche Konsequenzen für die Lokalbesitzer haben.

Der häufigste Knack- und Streitpunkt bei Konflikten mit Anrainern ist die Lärmbelastung. Sowohl die Genehmigung von Schanigärten und Gastgärten als auch die Sperrstunde hängen davon ab, ob die Lärmbelastung der Nachbarschaft zumutbar ist. So kann die Polizei bei Anrainerbeschwerden die Sperrstunde herabsetzen oder Schanigärten die Genehmigung entziehen.

"Unzumutbare Belästigung" ungenau definiert

Was zum Schutz der Nachbarschaft gedacht ist, kann für die Wirte allerdings problematisch werden. Denn in der Gewerbeordnung ist nicht genau geklärt, was die "unzumutbare Belästigung" der Nachbarschaft ist, die so massive Konsequenzen für die Wirte haben kann. Es gibt keine definierte Lärmobergrenze. Ob es tatsächlich zu laut ist, ist schlicht Auslegungssache.

Der Gesetzgeber argumentiert damit, dass ein Anrainer mit seiner Umgebung leben muss. Da der ortsübliche Geräuschpegel im innerstädtischen Gebiet ein anderer ist als in einer wenig belebten Wohnstraße, wird bei der Bestimmung der Zumutbarkeit des Geräuschpegels immer in Relation zur Geräuschemission der Umgebung gesetzt. Aber: Wo und wann genau wird gemessen? Und was zählt alles noch zu dem vor dem Lokal verursachten Gästelärm?

Verantwortung für Gäste

Während Wirte Musik und Geräusche aus dem Inneren ihrer Lokale durch Schutzmaßnahmen meist so abschirmen können, dass kaum Lärm nach draußen dringt, sind sie gegenüber dem Verhalten der Leute vor ihrem Lokal hilflos. Da es sich in aller Regel um öffentlichen Grund handelt, haben sie hier keine rechtlichen Möglichkeiten, auf diese Personen Einfluss zu nehmen, sie etwa wegzuweisen. Die Polizei kann hier nur einschreiten, wenn sich die Menschen vor der Türe strafbar verhalten – also randalieren, sich prügeln oder andere Straftaten begehen. Lautes Reden allein reicht nicht.

Dennoch können Wirte für das nicht strafbare Verhalten der Gäste vor ihrem Lokal insofern zur Verantwortung gezogen werden, als ihnen beispielsweise eine frühere Sperrstunde vorgeschrieben werden kann, wenn die Nachbarschaft dadurch "unzumutbar" belästigt wird. Als Gäste klassifiziert die Gewerbeordnung dabei all jene, die den Betrieb seiner Art nach in Anspruch nehmen und die sich im unmittelbaren Umkreis des Lokals befinden.

Die Gewerbeordnung definiert zwar keine Zone, der Gehsteig direkt vor dem Lokal gehört aber meist noch dazu. Allein das nicht strafbare Verhalten der Gäste vor dem Lokal und somit jenes, bei dem weder der Wirt noch die Polizei eine Handhabe haben, kann dem Wirt also eine sehr frühe Sperrstunde einbringen. Wer einmal nachts durch eine menschenleere Straße gegangen ist, weiß, dass selbst Stöckelschuhe laut klingen können. Halblaute Gespräche oder Lachen können da mitunter schon als unzumutbare Lärmbelastung gesehen werden.

Kreative Lösungen gefordert

Angesichts dieser Pattsituation, für den Lärm von Personen zur Verantwortung gezogen zu werden, gegen den sowohl der betroffene Wirt als auch die Polizei von Rechts wegen machtlos sind, sind kreative Lösungen der Wirte gefordert, um diese grotesk anmutende Verantwortung trotz rechtlicher Fesseln irgendwie zu handhaben.

Ein Lokal in Wien feierte gerade mit einem neuen App-basierten Einlasssystem einen Sieg gegen die Herabsetzung der Sperrstunde. Ab 1. Jänner 2017 darf der Club wieder bis sechs Uhr früh geöffnet sein. Möglich wurde dies, weil das neue Einlasssystem den Gästezustrom besser regelt. Die Gäste können via App nur dann ein Ticket erwerben, wenn noch Platz im Club ist.

Menschentrauben, die sich beim Eingang anstellen, sollen damit der Vergangenheit angehören. Damit ist nicht nur eine deutliche Lärmreduktion vor dem Club gelungen. Auch die Unterscheidung zwischen tatsächlichen Gästen und zufälligen Passanten ist einfacher. Rechtlich gesehen ist vor allem Letzteres entscheidend.

Lärmquelle Raucher

Das ab Mai 2018 gültige Rauchverbot in Lokalen wird die Konflikte von Wirten mit Anrainern ordentlich anheizen. Gäste, die vor der Betriebsstätte rauchen, sind eine potenzielle Lärmquelle und damit eine Belästigung für die Nachbarschaft. Beim derzeitigen Rechtsstand ist dies ein massives Problem für Wirte.

Gesetzgeber und Behörden sind daher dringend gefordert, die Verantwortung der Wirte für die Gäste vor ihren Lokalen auf neue Beine zu stellen, wenn nicht die Möglichkeit zum Ausgehen auch zu späterer Stunde genommen werden soll. Allzu frühe Sperrstunden sind weder im Interesse der Einzelnen noch in dem der Wirtschaft. Die Zeit bis 2018 läuft. (Stefan Prochaska, 19.12.2016)