Bild nicht mehr verfügbar.

Die Rechte Homosexueller zurückzunehmen, dürfte laut George Chauncey ein langwieriges Verfahren sein.

Foto: REUTERS/Mark Makela/Files

Vor allem um die Rechte Transidenter in den USA sorgt sich Yale-Professor Chauncey.

Foto: privat

STANDARD: Der designierte US-Präsident Donald Trump hat nach seinem Wahlsieg gesagt, er wolle die Ehe für alle behalten. Sein Vize Mike Pence fährt eine andere Linie. Wer wird sich durchsetzen?

Chauncey: Trump sagte, dass die Homo-Ehe für ihn kein Problem ist. Diese Aussage ist ein Zeichen seiner Anerkennung, wie sich die Rechte Homosexueller in den USA weiterentwickelt haben. Doch als Mike Pence Gouverneur von Indiana war, versuchte er ein Gesetz zu erlassen, das eine Diskriminierung von heiratswilligen Homo-Paaren erlauben würde. Sie hätten das durch ihre religiösen Ansichten rechtfertigen können. So ein Gesetz könnte nie existieren, wären die diskriminierten Gruppen Schwarze oder Juden. Es gab aber eine Protestbewegung gegen seine Vorschläge. Daraufhin hat Pence diese extreme Meinung zurückgezogen. Trump muss vorsichtig sein – auch wenn die Religiösen eine große Rolle bei seinem Sieg gespielt haben.

STANDARD: Glauben Sie, dass Pence als Vizepräsident seine aggressive Politik weiterverfolgen wird?

Chauncey: In gewisser Hinsicht schon. Ich glaube nicht, dass die Homo-Ehe sein Hauptpunkt sein wird. Dieses Recht wurde vor anderthalb Jahren vom Obersten Gerichtshof erlassen, und er darf das Gesetz wieder aufheben. Trump müsste am Obersten Gericht einen oder zwei liberale Richter austauschen, um bei der Gesetzgebung etwas ändern zu können. Und das wäre erst der Anfang eines langwierigen Prozesses. In einigen Jahren wird sich die Ehe für homosexuelle Paare in den Vereinigten Staaten noch fester etabliert haben. Schon jetzt ist laut Umfragen eine Mehrheit der US-Bürger für diese Gleichstellung.

STANDARD: Auch wenn es ein langwieriger Prozess ist: Könnten diese Reformen unter Trumps Regierung wieder zurückgenommen werden?

Chauncey: Ja, damit wird er meiner Meinung nach beginnen. Trump bestellte Ken Blackwell, den Vorsitzenden des konservativen religiösen Familiy Research Council zum Vorsitzenden für Innere Politik in seinem Übergangsteam. Die Organisation arbeitet seit 40 Jahren intensiv gegen die Rechte Homosexueller, gegen das Abtreibungsrecht, gegen sexuelle Erziehung in den Schulen. Blackwell wird also in der Lage sein, Menschen ins Team zu holen, die die gesamte US-Innenpolitik bestimmen werden.

STANDARD: Wie wird es um die Rechte transidenter Amerikaner unter der neuen Regierung stehen?

Chauncey: Vor allem die Rechte Transidenter werden in Zukunft starken Gegenwind erfahren. Die Obama-Administration war in den vergangenen Jahren führend, wenn es um ihre Gleichstellung ging; diese politische Linie wird in den nächsten Monaten leiden. Die Ansicht, man hätte wegen seiner religiösen Ansichten das Recht, andere Gruppen zu diskriminieren, wird mehr an Stellenwert gewinnen.

STANDARD: Rechte Parteien und Vorurteile gegen LGBTIQ-Mitglieder sind stärker in ländlichen Gebieten. Gab es in den USA in den vergangenen Jahren eine positive Entwicklung oder einen Rückzug?

Chauncey: In der ganzen Welt sind rurale Gebiete mehr von Vorurteilen betroffen als Großstädte. Wir haben jedoch eine positive Entwicklung gesehen. Zwar arbeiten religiöse konservative Aktivisten hart daran, eine Anti-Homosexuellen-Mentalität zu verbreiten, doch werden die jungen Generationen überall auf der Welt viel liberaler und zeigen mehr Bereitschaft als Ältere, Homosexuelle in ihrer Umgebung zu akzeptieren. Sogar in den konservativsten Ecken der USA gibt es immer mehr Unterstützung für die Rechte Homosexueller. (Anja Malenšek, 22.12.2016)