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"Soll ich mit einem Sieb durch das Land rennen?" Eine Wand mit dem Bild des ehemaligen Generals Ratko Mladic, der unter anderem wegen des Genozids in Srebrenica angeklagt ist.

Foto: REUTERS/Stoyan Nenov

STANDARD: Der neue US-Präsident Donald Trump will sich international weniger engagieren und an Russland annähern. Was bedeutet das für Bosnien-Herzegowina?

Inzko: Meine These ist, dass sich das Land erfreulicherweise Richtung EU integriert, aber leider zu Hause desintegriert. Als Trump gewählt wurde, gab es Jubelstimmung unter den Serben. Angeblich schicken viele Serben Geschenke, auch Schnäpse an die Familie Trump. Ich glaube aber nicht, dass sich Trump persönlich für kleinere Länder interessieren wird. Die US-Politik wird wohl gleich bleiben. Es gibt berühmte republikanische Senatoren, die zehn- oder zwanzigmal in Bosnien-Herzegowina waren. Sie werden darauf schauen, dass Bosniens territoriale Integrität und Souveränität erhalten bleiben. Ein anderer Faktor ist Melania Knauss, die als Teenager den Angriff der Jugoslawischen Volksarmee auf Slowenien erlebt hat. Sie wird sich daran erinnern und wohl auch daran, wer Bosnien angegriffen hat.

STANDARD: Das bosnische Verfassungsgericht hat das Referendum zum Feiertag der Republika Srpska untersagt. Trotzdem ist es abgehalten worden. Sie konnten die Bonner Vollmachten nicht einsetzen, weil die internationale Gemeinschaft Sie nicht unterstützt.

Inzko: So ist es. Ich habe bei der Anwendung der Vollmachten keine hundertprozentige Unterstützung. Aber ich wollte im Fall der Referendumsfrage den Verfassungsgerichtshof nicht schwächen. Dieser hat zweimal entschieden, dass das Referendum illegal und das Ergebnis nichtig sei.

STANDARD: Fühlen Sie sich von der internationalen Gemeinschaft verlassen?

Inzko: Ja, manchmal schon. Ich würde lieber auf mein Einkommen verzichten, aber frei arbeiten dürfen, als dass ich gut verdiene und mir die Hände gebunden sind. Ich würde etwa liebend gerne ein Gesetz gegen Hassrede, Genozid- und Holocaust-Leugnung oktroyieren. Die Genozid-Leugnung ist mehr als Salz in die Wunden der Leute hier. Denn die Erinnerungen an den Krieg sind noch total frisch.

STANDARD: Am 9. Jänner will die Republika Srpska trotz des Verbots weiterhin den Feiertag begehen. Was werden Sie tun?

Inzko: Es wird gewaltige Feiern geben, die sollen 24 Stunden dauern. Ich gehe natürlich nicht hin. Die erste Sitzung der Republika Srpska fand am 9. Jänner 1992 in einem Hotel in Sarajevo statt. 79 Personen waren anwesend, und die Nummer 75 war Milorad Dodik, der sich übrigens nicht zu Wort gemeldet hat. Damals wurde beschlossen, die Republik des serbischen Volkes von Bosnien-Herzegowina zu begründen. Da war also bereits vor Beginn des Kriegs eine Diskriminierung eingebaut – denn wo war da Platz für die anderen Völker, die Bosniaken, die Kroaten und die Minderheiten? Ganz dramatisch war dann aber die Sitzung der Republika Srpska am 12. Mai 1992, also nach Kriegsbeginn. Auf dieser Sitzung haben Momčilo Krajišnik und Radovan Karadžić von ethnischer Säuberung gesprochen. Der damalige General Ratko Mladić hat die beiden gefragt: "Wie stellt ihr euch das vor? Soll ich mit einem Sieb durch das Land rennen, damit die Serben übrigbleiben und die Bosniaken getötet werden? Oder soll ich alle töten? Wie werden Sie, Herr Krajišnik und Herr Karadžić, das der Welt erklären? Das ist Genozid!" Bei der Gründung der von niemandem anerkannten Republika Srpska war also bereits von Anfang an die Idee der Diskriminierung der anderen, also der Nichtserben, enthalten.

STANDARD: Aber wie soll man darauf reagieren, dass die Urteile des Verfassungsgerichts nun einfach nicht umgesetzt werden?

Inzko: Man könnte das noch schlimmer formulieren: Dodik hat im Bereich Rechtsstaatlichkeit bereits eine Sezession durchgeführt. Er ist auch nicht zum Verhör zum Staatsanwalt gekommen. In einem anderen Fall hat der bosnische Gerichtshof das Militäreigentum von Han Pijesak (Kleinstadt im Osten der Republika Srpska, Anm.) dem Verteidigungsministerium zugeschrieben. Dodik sagt aber wiederum: Das werden wir nicht hergeben, das ist heiliger serbischer Boden. Auch das ist ein Ausscheren aus dem Staatsverband im Justizbereich. Sezession ist die rote Linie – im Justizbereich hat er die schon überschritten.

STANDARD: Können Sie als Hoher Repräsentant etwas dagegen tun?

Inzko: Wenn die Referendumsresultate endgültig veröffentlicht werden, könnte ich diese für nichtig erklären. Auch der Staatsanwalt könnte etwas tun. Für mich ist die rote Linie auch überschritten worden, als kürzlich drei Kriegsverbrecher vom Parlament der Republika Srpska ausgezeichnet wurden. Biljana Plavšić wurde zu elf Jahren verurteilt, Momčilo Krajišnik zu 27 und Radovan Karadžić zu 40 Jahren. Die bekommen jetzt Auszeichnungen! Das ist so, als würden Hitler und Pol Pot ausgezeichnet werden. (Adelheid Wölfl, 22.12.2016)