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Proteste gegen Ceta in Brüssel.

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Ende Oktober wurde der Vertrag mit Kanada dann doch feierlich unterzeichnet. Jean-Claude Juncker, Justin Trudeau, Donald Tusk und Robert Fico (v.l.n.r.) freuen sich.

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Mit an Bord ist jetzt auch SPÖ-Chef Christian Kern, der im Herbst noch eine Basisbefragung zum Thema Freihandel durchführen ließ.

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Wien/Brüssel – Ceta war und ist für die SPÖ ein heikles Thema. Wegen parteiinterner Bedenken zögerte SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern lange mit seiner Zustimmung zum Freihandelsvertrag zwischen der EU und Kanada. Mitte Oktober rang er sich schließlich doch zu einem Ja durch. Ein Ja, das allerdings an Bedingungen geknüpft war. Eine davon: Österreich müsse die vorläufige Anwendung des Vertrages auch wieder beenden können. So steht es auch im Ministerratsbeschluss zu Ceta und in einer Erklärung Österreichs zum EU-Ratsprotokoll.

Worum es dabei geht: Jene Teile von Ceta, die in alleinige EU-Kompetenz fallen (etwa Zölle, nicht aber die umstrittenen Investitionsgerichte), sollen bereits nach dem Beschluss des EU-Parlaments Anfang Februar angewendet werden, also noch bevor es die Zustimmung der nationalen Parlamente gibt.

Kein Opt-out

Die Möglichkeit einer einseitigen Beendigung der vorläufigen Anwendung hatte auch das deutsche Bundesverfassungsgericht verlangt. Nur wenn die gegeben sei, dürfe die deutsche Regierung Ceta zustimmen, deponierten die Richter in Karlsruhe am 13. Oktober. Auf dieses Urteil berief sich auch Kern am Tag darauf, als das SPÖ-Präsidium grünes Licht gab.

Das Problem dabei: Laut EU-Kommission gibt es eine solche Ausstiegsmöglichkeit gar nicht. Wie das Onlineportal vieuws.eu berichtete, wurden die EU-Abgeordneten des Ausschusses für internationalen Handel darüber bereits im November informiert. Auf STANDARD-Anfrage bestätigte die Kommission, dass kein Opt-out für Einzelstaaten vorgesehen ist.

Stopp durch Gericht möglich

Sollte sich also beispielsweise nächstes Jahr die politische Stimmungslage in der rot-schwarzen Regierung ändern, könnte diese nicht einfach hergehen und die Ceta-Bestimmungen nur für Österreich außer Kraft setzen.

Klar ist aber auch für die Kommission: Erklärt ein nationales Höchstgericht Ceta für unvereinbar mit der Verfassung, müsste entweder der Vertrag nachverhandelt werden, oder die EU-Institutionen müssten die provisorische Anwendung beenden. Das kann nur auf Vorschlag der Kommission und nach einem Beschluss des Europäischen Rates erfolgen. Ob auch dem EU-Parlament eine Rolle zukommt, ist laut EU-Juristen unklar.

Mangels Präzedenzfalls ist auch nicht eindeutig geklärt, wie man vorgehen würde, wenn ein nationales Parlament mehrheitlich Nein zu Ceta sagt. Endgültig in Kraft treten kann der Vertrag jedenfalls nur, wenn er von allen 28 EU-Mitgliedern ratifiziert wird.

In der Kommission wird das so beschrieben: "Der Wille eines Mitgliedsstaates, den Vertrag abzulehnen, kann nicht ignoriert werden. Andererseits können auch der Wille der anderen Staaten, frühere Ratsbeschlüsse oder die Zustimmung des Europäischen Parlaments nicht ignoriert werden."

Einstimmigkeit im Rat

Sollten sich die EU-Länder also nicht einigen können, würde das zu einer politischen Krise führen. Für alle Handelsmaterien, die in Kompetenz sowohl der EU als auch der Mitgliedsstaaten fallen, braucht es jedenfalls Einstimmigkeit im Rat. Ist nur die EU zuständig, reicht eine qualifizierte Mehrheit.

Wann Ceta im österreichischen Parlament behandelt wird, steht noch nicht fest. In der SPÖ gab es jedenfalls Bestrebungen, die Abstimmung möglichst lange hinauszuzögern. Offene Punkte sieht man etwa noch bei der Frage, wie die operativen Abläufe an den Investitionsgerichten aussehen sollen.

NGOs machen jedenfalls weiter Druck gegen das Abkommen. Die Umweltorganisation Greenpeace sieht sich durch die Kommissionsaussagen zur vorläufigen Anwendung in ihrer Kritik bestätigt. "Bundeskanzler Christian Kern hätte Ceta in dieser Form nie zustimmen dürfen", sagt Sprecherin Hanna Simons. "Weder wurde Ceta entschärft, noch sind die Bedingungen für die Zustimmung Österreichs erfüllt. Jetzt müssen das EU-Parlament und der Nationalrat die Notbremse ziehen." (Günther Oswald, 23.12.2016)