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Finnen stehen auf Heavy Metal. (Im Bild: Sänger der Band Lordi, die 2006 für Finnland beim Songcontest gewonnen hat.)

Foto: EPA/SOEREN STACHE

Von Daten aus Online-Plattformen lässt sich einiges über die musikalischen Vorlieben von Personen und sogar ganzer Länder erfahren. Diese neuen Datenpools nutzen Linzer Computerwissenschafter, um Systeme zu entwickeln, die Hörern gezieltere Vorschläge machen. Auf dem Weg dorthin zeigen sie unter anderem auch, wie sich "Freiheit" im Musikverhalten abbildet.

Rap in den USA, Heavy Metal in Finnland

In den USA wird ungefähr doppelt so viel Rap und Hip-Hop wie Rock gehört, in Finnland regiert der Heavy Metal, Jamaika ist noch immer die Reggae-Hochburg. Das eine oder andere fast überkommen geglaubte musikalische Klischee findet sich laut Markus Schedl vom Institut für Computational Perception an der Universität Linz auch im Web wieder, wie der Forscher im Gespräch mit der APA erklärte.

In einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt analysiert er das Verhalten auf der Musikstreaming-Plattform Last.fm und dem Social Media-Kanal Twitter und bringt das mit sozio-kulturellen Informationen eines Landes und Persönlichkeitsmerkmalen von Nutzern in Verbindung. Die Last.fm-Daten erlauben einen recht genauen Einblick, was wo auf der Welt zu welchem Zeitpunkt gehört wird, in Tweets geben User preis, mit welchen Musikstücken sie sich gerade beschäftigen.

Schedl und sein Team haben zum Beispiel ein Verfahren entwickelt, mit dem mit GPS-Daten versehene Tweets zu "Musikhörevents" automatisch identifiziert werden können. Daraus kann wiederum einiges über die Persönlichkeit von Hörern in Erfahrung gebracht werden. Das Web 2.0 und seine Spielarten dienen also gewissermaßen als Messgerät für das erweiterte Musikverhalten.

Viele offen zugängliche Daten

Die Frage, wie sich ganze Länder in ihrem Hörverhalten unterscheiden, sei erst seit kurzem in den Fokus gerückt, sagte Schedl. Dazu erstellen die Computerwissenschafter einerseits Modelle der Hörer, im Sinne eines Profils der beliebtesten Musikgenres pro Land, und andererseits "gibt es eine Vielzahl an offen zugänglichen Daten, die bestimmte Eigenschaften der Länder beschreiben". Darunter etwa Informationen über kulturelle Bedingungen und Vorlieben, Wirtschaftsdaten oder Statistiken zur ethnischen oder religiösen Zusammensetzung eines Landes. "Zwischen all dem versuchen wir Beziehungen herzustellen", sagte Schedl.

Es zeige sich, dass "nicht sehr verwunderlich Österreich vom Musikgeschmack relativ nahe bei Deutschland liegt". Interessant sei aber auch, dass der große Anteil von Schlager und volkstümlicher Musik in den Charts in beiden Ländern in den sozialen Medien nicht so stark herauskomme. Einen ähnlichen Effekt gibt es weltweit für die klassische Musik: Einem relativ hohen Anteil am Gesamtkuchen von ungefähr fünf Prozent standen nur 0,3 Prozent einschlägige Tweets gegenüber.

Musikgeschmacks-Cluster

Eindeutige Musikgeschmacks-Cluster bildeten etwa die USA, Großbritannien und Australien, die baltischen Länder oder Russland, Ukraine und Weißrussland. "Man findet aber auch Ausreißer, die sich von allen anderen deutlich unterscheiden, wie zum Beispiel Japan und China", so Schedl. Illustriert wird das etwa durch den "J-Pop", der es kaum über die Grenzen Japans hinaus schafft. In Finnland finden sich fünf bis sechs Spielarten des Heavy Metal unter den Top-10 – sehr erstaunlich, angesichts etwa 2.000 berücksichtigter Genres insgesamt.

Umgekehrt stellten sich die Forscher die Frage, ob hinsichtlich kultureller, ethnischer und sozioökonomischer Kennzahlen ähnliche Länder einander auch musikalisch ähnlich sind. Schedl: "Es hat sich gezeigt, dass der Grad der ethnischen Durchmischung einen Einfluss hat. Länder, die sehr durchmischt sind, haben auch einen gemischteren Musikgeschmack." Ziehe man etwa den Index für Pressefreiheit oder das Vertrauen ins Parlament in einem Staat als Hinweis auf das Ausmaß an Freiheit heran, zeige sich ähnliches: In tendenziell "freieren" Ländern ist auch der Musikgeschmack diverser. Über die Ursachen dafür könne man aufgrund der Daten allerdings nur mutmaßen, so der Forscher. (APA, 27.12.2016)