Werner Rosenberger
Glamouröse Wienerinnen

Frauen mit dem gewissen Etwas
Metroverlag 2016
240 Seiten, 24, 90 Euro

Foto: Metroverlag

"Glamouröse Wienerinnen. Frauen mit dem gewissen Etwas" heißt das neue Buch des Autors und Journalisten Werner Rosenberger. Es verspricht eine "Zeitreise ins Wien der Jahrhundertwende und der Goldenen Twenties, als ein neuer Frauentyp entstand: selbstbestimmt, aufgeschlossen, rätselhaft und attraktiv". Dieses Versprechen wird leider nur teilweise eingelöst. Nur auf die wenigsten der 26 porträtierten Frauen trifft das Attribut selbstbestimmt zu. Das mag auch an der Art und Weise liegen, wie Rosenberger sie darstellt: durchwegs als Gattinnen, Geliebte, Musen oder Töchter.

Dabei fängt es vielversprechend an: Frauen, die "eine Leuchtspur zogen" und zu Unrecht vergessen seien, sei dieses Buch gewidmet. Die Schauspielerin Elisabeth Bergner zum Beispiel, die in Hosenrollen den Frauentypus der "Garconne" mit erschuf, wird im Vorwort hervorgehoben. Oder Olga Desmond, eine der ersten Nackttänzerinnen, die zu Stücken von Strauß, Chopin und Offenbach aus "Tableaus vivants", lebenden Bildern, heraustrat.

"Ich kann von mir sagen", betonte sie in einem Interview, "dass ich kein System befolge und auch nicht im Banne irgendeiner bestimmten Tanzschule, irgend einer besonderen Richtung der Tanzkunst stehe." Sie provozierte mit ihrem Nackttanz einen Skandal und stand deshalb 1909 im Mittelpunkt von Auseinandersetzungen im Preußischen Landtag. Ihre Schönheitsabende wurden verboten. Sogar die "New York Times" berichtete darüber.

Schmückendes Beiwerk

Dass Frauen – wie in diesem Fall – im Zitat selbst zu Wort kommen, ist die Ausnahme in diesem Buch. Das mag natürlich auch der Faktenlage geschuldet sein. Trotzdem entsteht der Eindruck, dass der Autor sie mehr als schmückendes Beiwerk wahrnimmt. An Katharina Abel, der "Königin der Fußspitzenakrobatik", einer gefeierten Tänzerin des Hofopernballetts, interessiert Rosenberger vor allem, mit wem sie liiert und wen sie schließlich geheiratet hat: einen Grafen.

Überhaupt liest sich das Buch an vielen Stellen wie ein "Who's who" aus vergangenen Tagen, ein Seitenblicke-Magazin der Jahrhundertwende quasi. Johanna Klinkosch wird im Titel nur als "Hans Makarts Muse" bezeichnet, sie – damals "eines der schönsten Mädchen von Wien" – wird als Modell des damals berühmten Malers Makart vorgeführt, auch sie kommt auf dem Standesamt zu einem Adelstitel. Wen’s interessiert, wird hier fündig.

Eine "Weltsensation mit Wiener Finale" sind für Rosenberger die Barrison Sisters, fünf "Lockenköpfe", die 1895 im Wiener Ronacher auftraten. Über sie schrieb Peter Altenberg: "Sie werfen ihre wohlgeformten Beinchen in die Luft und singen mit piepsenden Stimmchen." Hugo von Hofmannsthal sah das anders. Er schrieb über das Quintett: "Mit einem Schlag sind diese kleinen Mädchen ungeheuer überlegen geworden. Je komplizierter die Traditionen waren, über die sie sich lustig machten, und je weniger sie sich ihrer Überlegenheit bewusst zu sein scheinen, desto größer ist ihr Sieg."

Wienerinnen im weitesten Wortsinn

Eine der Schwestern, Gertrude Barrison, bleibt in Wien und – Sie ahnen es – heiratet einen berühmten Mann. Wie in diesem Fall stellt sich auch bei manch anderer Porträtierten die Frage, was sie überhaupt mit Wien zu tun hatte. "Alle, die in diesem Buch versammelt sind, waren 'Wienerinnen'", verspricht das Vorwort, "im weitesten Sinn des Wortes." Hier ist der Wortsinn manchmal allzu weit gefasst. Dass eine Künstlerin hie und da auch in Wien aufgetreten ist, macht sie, bei aller Sympathie, doch nicht zur Wienerin.

Auch eine zeitliche Eingrenzung hätte dem Buch, das eine Zeitspanne von der Jahrhundertwende bis in die Zwischenkriegszeit umfasst, nicht geschadet. Zu unterschiedlich sind die Frauen, ihre Lebensumstände, die Zeitläufte, die es darstellen will. Es versucht einen Spagat, an dem es scheitert. Zu oberflächlich und kursorisch bleibt der Blick. (Tanja Paar, 6.1.2017)