Justizminister Wolfgang Brandstetter nennt die Reform des Strafvollzugs ein "Herzensthema".

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Wien – Drei große Brocken hat Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) für 2017 am Programm. Er geht sie gleich in den ersten Wochen an: Im Jänner will er als Diskussionsgrundlage einen Vorschlag zu den Schwurgerichten vorlegen, im Februar ein erstes Strafvollzugs-Standortkonzept und das Maßnahmenvollzugsgesetz. Die Sachwalterschaftsreform steht prinzipiell, nur die Finanzierung ist noch zu verhandeln.

13 Mio. Euro jährlich braucht Brandstetter für den Start seines neuen "Erwachsenenschutzgesetzes". Diese "Finanzierungsdetails müssen noch geklärt werden", sagte er im APA-Interview. Er argumentiert: Zwar sei eine Startfinanzierung nötig, aber langfristig reduziere die Reform auch die Kosten, weil es mit den Änderungen letztlich viel weniger Sachwalterschaften geben wird.

Möglichst lang selbstbestimmt leben

Voraussetzung ist freilich, dass alle Fälle – wie im Modellversuch erprobt – in Clearingstellen überprüft werden, ob tatsächlich die Geschäftsfähigkeit nicht (mehr) gegeben ist oder ob auch Hilfe in einzelnen Angelegenheiten reicht. Wer Hilfe leistet, sollen Betroffene selbst aussuchen können, mit dem Ausbau der Vorsorgevollmacht, der Angehörigenvertretung und der selbst gewählten Vertretung. Das lasse den betroffenen Menschen länger die Selbstbestimmung. Damit würde Österreich endlich auch die Behindertenrechtskonvention der UNO erfüllen, pries Brandstetter sein neues Modell an.

In der Begutachtung stieß es auf breite Zustimmung. Also "könnten wir das Gesetz relativ rasch in den Ministerrat bringen". Brandstetter ist zuversichtlich, dass die Reform – nach der nötigen längeren Vorbereitung – Mitte 2018, eventuell auch Anfang 2019 in Kraft treten kann.

"Herzensthema" Strafvollzug

Auch seinem "Herzensthema" Strafvollzug – wo es nach jahrzehntelangen Versäumnissen "einige Luft nach oben" gebe – widmet sich Brandstetter weiter: Im Februar will er den Entwurf für die Maßnahmenvollzugs-Reform vorlegen. Derzeit lässt er ihn "von externen Fachleuten abklopfen", vor der Präsentation möchte er sich mit den Justizsprecher aller Parteien absprechen, weil "das der nächste große Reformschritt im Strafvollzugsbereich ist".

Zudem waren schon im Vorfeld skeptische Stimmen zu hören. So missfällt Teilen der Opposition, dass Brandstetter die Tätergruppe, die wegen psychischer Störungen in besondere Haft in forensisch-therapeutischen Zentren kommt, nicht einengen will, weil er das für "zu gefährlich" hält. Es soll dabei bleiben, dass Maßnahmenvollzug bei Straftaten mit mehr als einem Jahr Haftdrohung angeordnet werden kann. Die Regelung werde aber "inhaltlich neu definiert" – wie wird noch mit externen Experten abgeklärt, erläuterte Brandstetter.

"Sicherung nach außen"

Betreuung und Kontrolle der (rund 800) geistig abnormen oder entwöhnungsbedürftigen Straftäter müsse die Justiz selbst in die Hand nehmen – und auch für eine "entsprechende Sicherung nach außen" sorgen. Dafür seien drei forenisch-therapeutische Zentren nach dem Vorbild von Asten nötig.

Im Entwurf ist auch die Ausweitung der Fußfessel: Brandstetter will sie auch im Maßnahmenvollzug (etwa bei Ausgang) einsetzen – und generell bei jeder Form der Haftunterbrechung. Außerdem soll der elektronisch überwachte Hausarrest schon bei 18 Monaten (bisher zwölf) Reststrafe möglich sein.

Standortoptimierung für Gefängnisse

Im Konzept für die Standortoptimierung der Haftanstalten werden gemeinsam mit Experten der Donau-Uni Krems nicht nur die Justizanstalten, die man aus ökonomischen Gründen schließen sollte, evaluiert werden, sondern auch infrage kommende Alternativen. Auch an die Justizwachebeamten denkt der Minister: Angesichts der zunehmenden Attacken gegen Beamte will er die Strafdrohung dafür erhöhen.

"Ein Zeitfenster" will Brandstetter für die seit vielen Jahren diskutierte Reform der Geschworenengerichtsbarkeit nützen. Er hat durchaus Hoffnung, "dass wir jetzt endlich die nötige Verfassungsmehrheit bekommen können". Sein Vorhaben, dass es zum Wahrspruch der Geschworenen endlich eine Begründung geben soll, ist auf einige Zustimmung (auch des Koalitionspartners) gestoßen. Nötig wäre dafür, Berufsrichter in die Beratungen der Geschworenen in adäquater Form einzubinden.

"Eines Rechtsstaates unwürdig"

Anfang des Jahres will Brandstetter einen Vorschlag präsentieren – basierend auf einem Modell des Ministeriums aus dem Jahr 2011. Dann will er mit den Justizsprechern" aller Parteien verhandeln. Die Reform wäre dringend geboten, sei Österreich doch "ziemlich das letzte Land in Europa", in dem Geschworene allein und ohne Begründung über die Schuldfrage entscheiden und damit kein Rechtsmittel gegen den Schuldspruch (nur gegen die Höhe der Strafe) möglich ist. Ein solches Modell sei "eines Rechtsstaates unwürdig", konstatierte Brandstetter.

Einführung der Sammelklage

Ebenfalls seit vielen Jahren diskutiert wird über die Einführung der Sammelklage zur Bewältigung von Massenverfahren im Wirtschaftsbereich. Auch im Regierungsprogramm findet sich dieses Vorhaben. Brandstetter "würde es gerne umsetzen, wenn ausreichender Konsens vorhanden ist". Er werde sich "auf Konsenssuche begeben". Bisher ist die Einführung eines konsumentenfreundlichen und billigen Modells einer gemeinsamen Klage vieler Geschädigter am Widerstand der Wirtschaft gescheitert. "Aber wir werden auch in diesem schwierigen Bereich etwas zustande bringen. Dass wir bisher bereits 38 Gesetze zu einem guten Teil einstimmig durchgebracht haben, macht mich optimistisch", merkte der Minister an.

Lob von SPÖ-Justizsprecher Jarolim

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim unterstützt Brandstetters Vorhaben, die Sachwalterschaft und die Schwurgerichte zu reformieren. Er attestierte dem Minister "vorbildliche Sachlichkeit und Kompetenz" – während er Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) scharf kritisierte, weil dieser "willkürlich" das Erwachsenenschutzgesetz blockiere.

Brandstetter habe "in vorbildlicher Sachlichkeit und Kompetenz" den Entwurf für die Reform der Sachwalterschaft vorgelegt, das Erwachsenenschutzgesetz ist ausverhandelt und könnte sofort beschlossen werden. Aber Schelling ignoriere den Willen der Parlamentarier und das Regierungsprogramm, indem er die Zustimmung verweigere, kritisierte Jarolim. Schellings Zustimmung ist nötig, weil für die Startphase 13 Mio. Euro jährlich an Kosten anfallen, um alle Sachwalterschaften in Clearingstellen beurteilen und das weitere Vorgehen festlegen zu lassen. Jarolim schlägt deshalb vor, dass das Parlament in einem "erfrischenden Zeichen der Gewaltentrennung" das Gesetz ohne Ministerratsvorlage beschließt.

Auf einer Linie bei Geschworenen

Bei der Reform der Geschworenengerichtsbarkeit stehe man "auf einer Linie", freute sich Jarolim über Brandstetters Aussagen im APA-Interview. Beide sind dafür, künftig Schuldsprüche zu begründen und die Geschworenen dabei durch einen Richter beraten zu lassen. Jarolim drängt zudem auf "mehr Qualität" bei den Geschworenen sowie einen besseren Querschnitt durch die Bevölkerung in den Schwurgerichten. Er will die Schwurgerichte verkleinern – die Richter von drei auf zwei, die Laienrichter von acht auf sechs reduzieren. Damit wäre ein Richter "freigespielt", der dann die Geschworenen bei der Begründung ihres Wahrspruches beraten könnte.(APA, 3.1.2017)