Pfarrer Zoltán Németh setzt sich in Körmend für Flüchtlinge ein.

Foto: Gregor Mayer

Tasha (23) aus Kamerun reinigt ein Huhn und gibt es in den Topf mit Wasser, der auf der Herdplatte steht. Okeke (21) aus Nigeria schält inzwischen Erdäpfel auf dem Küchentisch. Die beiden Männer bereiten im Pfarrheim der westungarischen Kleinstadt Körmend das Mittagessen für sich und die anderen Flüchtlinge vor, die hier Obdach gefunden haben.

Pfarrer Zoltán Németh (61), ein etwas untersetzter Mann mit kurzem grauem Haar und rosigem Gesicht, hat Flüchtlinge aus dem Zeltlager des ungarischen Migrationsamtes in Körmend aufgenommen. Die Zustände dort sind so schlimm, dass sich Németh zum Handeln veranlasst sah, als ihn kurz vor Weihnachten, ein Hilferuf aus dem Camp erreichte.

"Wir erfrieren! Bitte helfen Sie uns!", lautete die Botschaft. "In den Zelten des Lagers ist es schrecklich kalt", bestätigt Tasha. "Es gibt nur einen Holzofen, und der kühlt schnell aus." – "An Schlafen war nicht zu denken", sagt Okeke.

Pfarrer Németh erinnerte sich, dass Papst Franziskus bereits im September 2015, auf dem Höhepunkt der damaligen Flüchtlingskrise, dazu aufgerufen hatte, dass jede Pfarrgemeinde mindestens eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen möge. "Ich spürte, da darf man nicht zögern", sagt er.

Also lud der Pfarrer von Körmend die Flüchtlinge aus dem Lager ins Pfarrheim ein. Derzeit sind acht junge Männer aus Afrika, dem Irak, Afghanistan und Kuba untergebracht. Tagsüber gehen sie ins Lager, um der Vorschrift Genüge zu tun, sich einmal in 24 Stunden zu melden und um über das Internet mit Angehörigen zu Hause zu kommunizieren.

Linie missachtet

Mit seinem Handeln hat Pfarrer Németh eigentlich die Linie der katholischen Kirche in Ungarn in Flüchtlingsfragen missachtet. Denn die großen Amtskirchen – neben der katholischen sind das die calvinistische und die unierte – unterstützen weitgehend die abweisende Flüchtlingspolitik von Ministerpräsident Viktor Orbán. Asylbewerber sollen mit Stacheldrahtzäunen und oft gewaltsamen Rückschiebungen ferngehalten werden. Durch Umstände, wie sie im Camp Körmend herrschen, das zwölf Kilometer von der Grenze zu Österreich entfernt liegt, werden sie zum Weiterziehen "ermuntert".

Für die ungarische katholische Kirche gab ihr höchster Würdenträger, Kardinal Erzbischof Péter Erdö, im September 2015 die Losung aus: "Wenn wir Flüchtlinge aufnähmen (...), würden wir uns zu Schleppern machen." Doch einige wenige Geistliche hielten sich nicht daran. Asztrik Várszegi, der Vorsteher der Benediktinerabtei von Pannonhalma in Westungarn, nahm demonstrativ Flüchtlinge auf. Der Pfarrer von Makó in Südostungarn, Zoltán Pálfai, verurteilte in einem flammenden Appell die Hetze der Orbán-Regierung vor dem Anti-EU-Quoten-Referendum am 2. Oktober, das am Ende wegen zu geringer Beteiligung ungültig war. Pfarrer Németh wiederum schritt in seiner Gemeinde zur Tat und half, wo die Not groß war.

Auch bei ihm begegnen viele Gläubige den Fremden mit Ängsten und Ablehnung. Die Flüchtlinge sind in einem abgesonderten Trakt des Pfarrheims untergebracht. Das Gemeindeleben soll keinen Irritationen ausgesetzt werden. Doch beim Weihnachtsessen brach das Eis ein wenig: Die Flüchtlinge hatten geholfen. Nicht mehr alle Gäste waren da, als sich die Fremden dazugesellten. Für kurze Zeit entstand ein normales Miteinander.

"Habe sogar Gewissensbisse"

"Nein, ich bin kein Held", wehrt sich Pfarrer Németh gegen die naheliegende Hervorstreichung seiner Person. "Ich habe sogar Gewissensbisse, weil ich schon viel früher hätte handeln müssen." Die Kirche in Europa erscheine ihm in der heutigen Zeit wie eine "Kirche des Katastrophentourismus". Was er damit meint: "Es gibt eine Notlage, und nur ganz wenige geben wirklich alles, um zu helfen, während die Mehrheit rundherum steht und nur glotzt, nur darauf wartet, dass irgendetwas geschieht." Auch er, fügt er selbstkritisch hinzu, sei "oft nur Glotzer gewesen". (Gregor Mayer aus Körmend, 9.1.2017)