Licht, Musik, Buffet, Happy Hour und Animationsprogramm: Das sind die Werkzeuge, mit denen die Hotelgäste zusammengehalten und kontrolliert werden. Man sagt auch Massentourismus dazu.

Foto: Prantl/Zißler/Lerchbaumer

Das All-inclusive-Hotel sei nichts anderes als ein programmatischer Filter, der für die Touristen die Realität des Ortes aussiebt.

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Auf den Schicksalstag am 26. Juni 2015, der dem tunesischen Tourismusstädtchen Port El-Kantaoui eine Katastrophe bescherte, ist kaum ein Hinweis, geschweige denn eine erinnernde Gedenktafel zu finden. Heute wie damals wird geplanscht, geplätschert und gerutscht.

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Um 11 Uhr startet die Aquagymnastik. 38 Menschen wurden hier kaltblütig ermordet. Von 14.30 bis 17.30 Uhr steht Box-Animation auf dem Programm. Ein tunesischer Student hatte die Urlauber und Sonnenbaderinnen damals am Strand erschossen. Und um 17 Uhr lädt die Hoteldirektion zum feuchtfröhlichen Wasserpolo. Das Maschinengewehr vom Typ Kalaschnikow hatte der Attentäter unter einem Sonnenschirm versteckt, den er beim Strandspaziergang bei sich trug.

Die beiden Orte von Jubel, Trubel, Heiterkeit und einem weiteren Unglück in der Serie unzähliger Anschläge, zu denen sich der IS bekannt hat, liegen nur wenige Meter voneinander entfernt. Doch im ewigen Sommer, so scheint es, vergisst man schnell. Auf den Schicksalstag am 26. Juni 2015, der dem tunesischen Tourismusstädtchen Port El-Kantaoui eine Katastrophe bescherte, ist kaum ein Hinweis, geschweige denn eine erinnernde Gedenktafel zu finden. Heute wie damals wird geplanscht, geplätschert und gerutscht.

Massiv getroffen

"Die Anschläge im arabischen Raum sowie die politischen Unruhen und Putschversuche in Nordafrika und Kleinasien haben die klassischen Urlaubsdestinationen der Europäer massiv getroffen", sagen Andreas Zißler, Pia Prantl und Anna Lerchbaumer, die in Wien und Innsbruck Architektur, Videokunst und Arts and Science studieren und im letzten Halbjahr immer wieder in Badehose und Bikini geschlüpft sind. "Wir wollten uns anschauen, welche Auswirkungen die Ereignisse auf den Tourismus haben und wie Hotels, Regionen und ganze Länder darauf reagieren."

Dreimal stiegen die angehenden Architektinnen in den Charter-Flieger, dreimal hatten sie Notizbücher, Diktiergerät und Fotoapparate im Gepäck, dreimal recherchierten sie an Ort und Stelle über Aladdins Aquaparks und Animationshotels, über den politisch und wirtschaftlich einschneidenden Moment des Terrors sowie über die potenzielle Neuerfindung und Neupositionierung am Tag danach. Das Ergebnis dieser Foto- und Sound-Dokumentation aus Tunesien, Ägypten und der Türkei ist nun in Form einer Ausstellung im Innsbrucker Architekturhaus aut zu sehen.

Belanglose Feriengespräche

"Es passiert nicht jeden Tag", sagt Anna Lerchbaumer, "dass jemand mit einer Hasselblad-Mittelformatkamera samt Stativ im Swimming-Pool oder am Rutschturm steht und das Auf-Urlaub-Sein der anderen fotografiert. In einem All-inclusive-Club, in dem sonst jede Minute durchgetaktet und durchchoreografiert ist, wirkt dieses Bild wahrscheinlich ziemlich verstörend." So manches Mal, erinnert sie sich, seien die drei Invasoren zum Hoteldirektor zitiert worden.

"Jede Aktion, die nicht ins Konzept von Ferienstimmung und All-inclusive passt, wird sofort unterbunden", meint Andreas Zißler. "Kaum haben wir die Kamera ausgepackt, wurden wir schon von Animateuren gestürmt, die uns um jeden Preis in ein belangloses Feriengespräch verwickeln wollten. Aber auch Beleuchtung, knarrende Lautsprecher und schlechte Schlagermusik in Endlosschleife wurden immer wieder eingesetzt, um uns zu vertreiben und unsere Arbeit zu behindern."

Oktroyiertes Glücklich-Sein

Es sind dies, erklärt Zißler, die ganz normalen Werkzeuge, mit denen auch der Hotelgast von A nach B durchgelotst wird: Licht, Musik, Buffet, Happy Hour und Animationsprogramm. "Auf diese Weise wird die große Masse im Revier Ferienanlage zusammengehalten und kontrolliert. Ein Ausbrechen aus diesem System ist quasi unmöglich. Jeder Fluchtversuch wird mit aller Kraft zu stoppen versucht." Und ja, es sei erstaunlich, wir rasch man sich als Außenstehender und kritischer Beobachter diesem absolutistischen, zentralistischen Regime beuge und selbst zur Marionette des oktroyierten Glücklichseins verkomme.

Neben dem El-Mouradi Palm Marina in Port El-Kantaoui reisten die drei Kuratoren auch ins Happy Life Village in Sharm-el-Sheikh, Ägypten, sowie ins Dream World Aqua in Antalya, Türkei. "Wir waren an drei vollkommen unterschiedlichen Orten, doch die Hotelanlagen mit ihren zentralen Pool-Landschaften waren jedes Mal zum Verwechseln ähnlich", sagt Pia Prantl.

Programmatischer Filter

"Es spielt keine Rolle, wo welches Hotel steht. Es spielt nur eine Rolle, welche Aufgabe es zu erfüllen hat." Das All-inclusive-Hotel sei nichts anderes als ein programmatischer Filter, der für die Touristen die Realität des Ortes aussiebt. Ganz so wie in Disneyland oder im 1998 erschienenen Kinoklassiker "Truman Show".

"Und das Erschreckende ist", sagt Andreas Zißler, "dass wir diese künstliche Parallelwelt, die uns einen bestimmten Verhaltenscode vorschreibt, längst nicht nur im Pauschalurlaub vorfinden. Sie ist überall. Jeder Bahnhof, jeder Flughafen, jeder Supermarkt, jedes Shoppingcenter, ja sogar jede Einkaufsstraße in der Stadt ist darauf ausgerichtet, unsere Wege zu kontrollieren und unser Konsumverhalten zu beeinflussen."

Ohne Ort, ohne Kontext

Es reicht allein schon ein Blick in die Stadtkultur turbokapitalistischer Gesellschaften: China, USA, Vereinigte Arabische Emirate. "Städte wie Dubai und Las Vegas entbehren einer jeden Vergangenheit und jeder Realität. Sie sind Fabriken der Sehnsuchtsproduktion und der Wunscherfüllung – ohne Ort, ohne Kontext, ohne Vergangenheit. Und diese Nichtorte, in denen nur noch das ästhetisierte Abbild einer Wirklichkeitskonstruktion zählt, werden immer mehr."

Auf genau diese Fehlentwicklung will die Innsbrucker Ausstellung – über ihre eigenen ästhetischen Bilder hinaus – aufmerksam machen. Die Fotografien, die Tagesabläufe mit Boccia, Volleyball und Wasseraerobic und das Stück Plastikrutsche, das wie ein ausgetrocknetes Relikt im Raum steht, sind demaskierend. (Wojciech Czaja, 10.1.2017)