Israels Premier Benjamin Netanjahu wurde zuletzt immer wieder von der Polizei befragt. Gegen ihn wird unter anderem wegen mutmaßlicher Korruption ermittelt.

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Insgesamt acht Stunden lang ist Benjamin Netanjahu vorige Woche in zwei Sitzungen von der Polizei als Verdächtiger verhört worden, und nun kristallisiert sich nach und nach heraus, was Israels Premier vorgeworfen wird. Schon länger war bekannt, dass es sich um zwei separate Fälle handelt, wobei es laut israelischen Medien beim ersten um den Verdacht der Geschenkannahme geht.

Wirklich "schwerwiegendes" Material gegen Netanjahu soll aber im zweiten Fall vorlegen, der ein "Erdbeben" auslösen könnte. Nun ist durchgesickert, was damit gemeint ist: der Mitschnitt eines Gesprächs zwischen Netanjahu und Arnon "Noni" Moses, dem Herausgeber von Israels auflagenstärkster Verkaufszeitung "Jediot Acharonot". Dabei soll der Vorschlag zu einer Art Nichtangriffspakt zwischen dem Premier und dem Blatt erörtert worden sein. Ein derartiger Deal wäre beschämend und skandalös, doch es ist unklar, ob damit auch ein strafrechtlicher Tatbestand erfüllt wäre.

Alle Seiten stehen schlecht da

Noch schlechter als Netanjahu sieht dabei der schwerreiche Zeitungsmogul aus, zu dessen Imperium etwa auch die Internet-Zeitung Ynet gehört. Moses gilt seit vielen Jahren als Kritiker und Feind Netanjahus und hat die von ihm kontrollierten Medien unverhohlen dazu zu verwenden versucht, Netanjahus Wiederwahl zu verhindern. Netanjahu seinerseits hat "die Medien" immer wieder öffentlich beschuldigt, einen Krieg gegen ihn zu führen, womit er speziell auch "Jediot Acharonot" meinte.

Netanjahus Hauptwaffe gegen Moses war die Gratiszeitung "Israel Hayom" ("Israel heute"), die 2007 von dem Netanjahu-freundlichen US-Milliardär Sheldon Adelson gegründet wurde und "Jediot Acharonot" schon nach drei Jahren überholte. In den nun zum Ermittlungsgegenstand gewordenen Kontakten soll Netanjahu von dem Herausgeber verlangt haben, er solle die Angriffe auf den Premier zügeln. Im Gegenzug würde Netanjahu dafür sorgen, dass die Auflage der Konkurrenz "Israel Hayom" gebremst würde, etwa durch ein Gesetz gegen Gratiszeitungen, wovon Moses auch finanziell profitieren würde.

Zigarren und Champagner

Während die Einzelheiten des zweiten Falls verblüffend sind, wirkt der erste Fall eher kurios. Der Hauptvorwurf besteht darin, dass Netanjahu über viele Jahre von dem Milliardär Arnon Milchan, einem Hollywood-Produzenten, mit sündteuren Zigarren versorgt worden sein soll. Netanjahus Anhänger meinen, dass man wegen harmloser Geschenke eines guten Freundes doch nicht einen Regierungschef anklagen und zu Fall bringen könne.

Doch der Premier soll gut 20 Zigarren im Monat paffen, sodass die Zuwendung sich zu "Hunderttausenden von Schekel" (ein Euro entspricht etwa vier Schekel) summiert haben soll. Außerdem soll Milchan der Premiersgattin Sara Netanjahu große Mengen an rosa Champagner geschickt und dem Sohn Yair kostspielige Reisen finanziert haben. Eine Gegenleistung könnte darin bestanden haben, dass Netanjahu bei US-Außenminister John Kerry interveniert hätte, als Milchan ein neues Visum brauchte.

Angriffe auf Generalstaatsanwalt

Schon vor einigen Monaten war eine Voruntersuchung gegen Netanjahu angelaufen, bei der rund 50 Zeugen einvernommen wurden. Im Dezember hat Generalstaatsanwalt Avichai Mendelblit sich dazu durchgerungen, das Verfahren zu einer Strafermittlung aufzuwerten und die peinlichen Vernehmungen Netanjahus anzuordnen.

Mendelblit ist die Schlüsselfigur, die darüber entscheiden muss, ob tatsächlich Anklage erhoben wird. Von Oppositionsstimmen wurde Mendelblit, der früher Netanjahus Kabinettsekretär war, aufgefordert, die Leitung des Verfahrens wegen Befangenheit abzugeben. Alle Seiten wünschen sich von Mendelblit jedenfalls eine rasche Entscheidung, denn das Land kann nicht ordentlich regiert werden, wenn der Premier sich ständig für die Polizei bereithalten muss. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, 9.1.2017)