Will heurige Obergrenze halbieren: Vizekanzler und ÖVP-Chef Mitterlehner.

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Mitterlehner mit Außenminister Sebastian Kurz in Pöllauberg.

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Pöllauberg – Kurz nach Jahreswechsel gönnen sich der ÖVP-Parlamentsklub und das schwarze Regierungsteam traditionell eine kleine Landpartie. Es geht hinaus in die Bundesländer zur Klausur. Diesmal richtete man sich gemütlich im schmucken Seminarhotel Retter im verschneiten oststeirischen Pöllauberg ein – im Heimatbezirk von Klubobmann Reinhold Lopatka.

Dienstagabend brütete die ÖVP-Regierungsmannschaft über Strategien, wie das Parteiprofil geschärft werden könnte. Mittwochmorgen präsentierte Parteichef Reinhold Mitterlehner mit einer gewissen aufgeregten Emotion in der Stimme den abends zuvor paktierten "Coup": Die ÖVP wolle von hier aus eine "harsche, aber notwendige politische Botschaft" aussenden und plädiere nun dafür, die Obergrenze von Asylanträgen zu halbieren und in diesem Jahr statt 35.000 nur noch 17.500 Anträge zuzulassen.

So ganz neu war der Vorschlag allerdings auch wieder nicht. Ähnliches wurde bereits unter den Landeshauptleuten diskutiert. Aber die ÖVP hatte ihre "Botschaft" an diesem ersten Tag der Klubklausur.

"Mehr geht nicht", argumentierte jedenfalls Mitterlehner, die jetzt verlangte Halbierung der Asylanträge sei jene Größenordnung, die die Bevölkerung noch "vertragen" könne. Mitterlehner räumte aber ein, dass die neue Quote durchaus bald erreicht werden könnte.

Zuwanderungsstopp

Tatsächlich würde der ÖVP-Vorstoß bei den momentanen 450 zugelassenen Asylanträgen pro Woche aufs Jahr gerechnet 25.000 Anträge bedeuten, weit mehr als die jetzt von Mitterlehner geforderte Quote. Zudem werden ja mehr als 10.000 "Altfälle" – man spricht von 14.000 – von 2016 noch mitgenommen. Dies hieße, dass 2017 nach der neuen VP-Rechnung nur noch wenige Tausend Anträge verbleiben würden. Dies ginge de facto in Richtung eines Zuwanderungsstopps.

Die FPÖ legte in einer ersten Reaktion jedenfalls gleich noch eines drauf. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl lizitierte das Wettrennen um die Obergrenzen nach unten und forderte eine "Nullobergrenze"

Fußfessel für "Gefährder"

ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner will dieses Limit von 17.500 zugelassenen Asylanträgen aber "eh nicht" in Stein gemeißelt sehen, sondern als politischen Anstoß der ÖVP, auch in Richtung Europa, dass sich – ähnlich wie bei der Schließung der Balkanroute – Dramatisches in der Asylpolitik ändern müsse. Das betreffe auch "Gefährder", etwa jene Personen, die mit der Terrormiliz IS in Verbindung stünden. Gefährder müssten stärker überwacht werden. Auch hier müsse sich die Regierung entsprechende Maßnahmen überlegen, sagte Mitterlehner. Stichwort: Fußfessel.

Die jüngsten Vorkommnisse etwa in Innsbruck, wo "im Sexualbereich Übergriffe stattgefunden haben" (Mitterlehner), müssten ebenso zu Konsequenzen führen. Zustimmend äußerte sich Mitterlehner auch zum zuletzt kontrovers diskutierten "Kopftuchverbot" in sensiblen öffentlichen Orten, etwa in Schulen und im Gerichtsaal. Innenminister Wolfgang Sobotka schlug am Rande der Tagung vor, dass Kapazitäten in frei stehenden Kasernen als Transitzone für Asylsuchende genutzt werden. Sobotka drängte zudem darauf, dass die nun genannte Obergrenze im Gesetz festgeschrieben werde. Er rechne damit, dass die Gesetzesänderung mit der SPÖ machbar sei.

Bundeskanzler Christian Kern reagierte in der "ZiB 2" nicht begeistert auf den Vorschlag. Zuwanderung zu regulieren sei eine große Aufgabe, "da wird's nicht reichen, wenn wir eine statistische Größenordnung auf ein Blatt Papier schreiben". Es brauche konkrete Maßnahmen wie etwa Rückführungsabkommen, da seien bekanntlich ÖVP-Minister gefordert, sagte Kern.

Ein weiteres "Signal", das vom steirischen Pöllauberg ausgehen sollte, betrifft wirtschaftspolitische Markierungen. Mitterlehner wünscht sich – unter anderem – die Schaffung von 30.000 Arbeitsplätzen sowie eine Wiederbelebung einer "Mobilitätsprämie" – etwa 4000 Euro für Übersiedelungskosten – sowie eine Bürokratiebremse.

"Kombilohn"

Um die Mobilität am Arbeitsmarkt zu stärken, solle auch eine Art "Kombilohn" aus Gehalt und Arbeitslosengeld diskutiert werden, schlug Mitterlehner vor. Hier könnten Übersiedelungen mit einem AMS-Zuschuss angeregt werden. Entsprechende Modelle sollen demnächst präsentiert werden. Der Vizekanzler bekräftigte zudem die langjährige Forderung der ÖVP nach einer Senkung der Steuer- und Abgabenquote – auf unter 40 Prozent. (Walter Müller. 11.1.2017)