Wien – Die Ärzte weisen die Schuld für die Unterbringung von Patienten auf Spitalsgängen von sich. Der Obmann der Spitalsärzte und Ärztekammer-Vizepräsident Harald Mayer machte am Mittwoch ein "Organisationsversagen" der Spitalsträger dafür verantwortlich. Gleichzeitig warnte er neuerlich vor einer Zwei-Klassen-Medizin.

"Die Ärzteschaft ist sicher nicht schuld. Wir schließen keine Betten, wir schaffen keine Betten", sagte Mayer zu der über die Weihnachtsfeiertage gestiegenen Zahl an Gangbetten. Der Obmann der Kurie der angestellten Ärzte gestand zwar zu, dass Spitalsärzte so wie andere Menschen zu dieser Zeit auf Urlaub waren, dass gleichzeitig zu viele Mediziner in den Ferien waren, wollte er sich aber nicht vorwerfen lassen.

Mayer verwies darauf, dass die Grippewelle heuer drei Wochen früher als sonst eingesetzt habe. Die Spitalsträger hätten darauf "vielleicht ein bisschen unglücklich reagiert". Sie hätten Schritte einleiten müssen, welche wollte der Ärztekammer-Vizepräsident aber nicht empfehlen. Seiner Ansicht nach hätte man "von oben" steuern müssen. Andererseits wäre es aber immer noch besser, Grippepatienten in einer Internen Abteilung am Gang unterzubringen als sie irgendwo anders weniger effizient zu behandeln.

"Zwei-Klassen-Medizin mit Windeseile" angesteuert

Mayer wandte sich neuerlich gegen Einsparungen im Gesundheitssystem und warnte vor einer "Zwei-Klassen-Medizin", die "mit Windeseile" angesteuert werde. Er forderte die Politik auf zu sagen, was ihr ihre Wähler wert sind. Die Politik solle für die medizinische Versorgung Geld in die Hand nehmen oder die andernfalls notwendigen Leistungseinschränkungen erklären. "Die Ärzte wollen nicht die Mangelverwalter sein und den Patienten die schlechten Botschaften überbringen, für die sie nichts können."

Zu der beschlossenen Senkung der Ausgabensteigerung von 3,6 auf 3,2 Prozent pro Jahr erklärte Mayer, notwendig wären fünf bis sechs Prozent, um die Qualität zu halten – "oder es gibt nicht mehr alles für alle." In einer Zwei-Klassen-Medizin gehe es den Patienten schlechter, den Ärzte aber besser, wie man in Großbritannien sehe, wo die Einkommen der Ärzte deutlich höher seien.

Mayer bekräftigte auch die Ärztekammer-Forderung, dass die Patienten durch ihren Haus- oder Vertrauensarzt durch das Gesundheitswesen geführt werden sollen, damit das System finanzierbar bleibt. Dass man dann nicht mehr ohne Überweisung in eine Spitalsambulanz gehen könne, wäre "eine Möglichkeit".

Neuerlich forderte der Spitalsärzte-Vertreter auch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, auch damit junge Ärzte nicht ins Ausland abwandern und ältere Mediziner länger im Beruf bleiben. Die IT biete derzeit für die Ärzte eher eine Belastung und keine Entlastung, auch weil verschiedene System in Verwendung seien und Daten deshalb mehrfach eingegeben werden müssten. Mayer befürchtet, dass auch die Elektronische Gesundheitsakte, die derzeit in den Spitälern implementiert wird, keine Verbesserung bringen wird. Derzeit gebe es noch keine Probleme, weil noch kaum Daten im System sind. Wenn die Datenqualität aber nicht verbessert wird, könnte es in zwei Jahren zu Problemen kommen, warnte Mayer.

Gefährdungsanzeige betroffener Wilhelminenspital-Ärzte

In der Sache haben nun auch mehrere Ärzte der betroffenen Abteilung im Wilhelminenspital eine sogenannte Gefährdungsanzeige erstattet. Der Grund: Sie sehen in der von KAV-Direktor Udo Janßen angeordneten Aufhebung der Bettensperre – durch die Sperre mussten Patienten teilweise am Gang untergebracht werden – die Patientensicherheit gefährdet.

Mehrere Oberärzte der betroffenen 2. Medizinischen Abteilung haben laut einem Bericht der "Presse" die Gefährdungsanzeige erstattet, weil "eine medizinisch professionelle und adäquate Patientenversorgung und Patientensicherheit unter diesen Bedingungen nicht gewährleistet werden können", wie es in einem – von der Zeitung zitierten – Brief an den ärztlichen Direktor Andreas Steiner, an Generaldirektor Janßen und an Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) heißt.

Zur Erklärung: In der Abteilung waren bis vor kurzem einige Betten gesperrt, da nicht genug Personal zur Verfügung stand. Deshalb mussten Patienten in Gangbetten ausharren. Die Ärzte weisen in ihrem Brief nun darauf hin, dass die Sperre der zehn Betten seit 19. September 2016 von der Generaldirektion genehmigt gewesen sei. Die "nach Mediendruck erzwungene" "Wiedereröffnung der Betten" ändere nichts an der Personalsituation. Daher werde "dringendst ersucht, unser ärztliches Personal adäquat aufzustocken oder die Bettensperre wieder zu etablieren". Außerdem wird Janßen vorgeworfen, den Ärzten mit Urlaubssperre gedroht zu haben, sollten sie die Anzeige erstatten.

Eine Sprecherin des KAV teilte laut "Presse" in Reaktion auf den Brief mit, dass die aktuelle Aufhebung der Bettensperre mit dem Abteilungsvorstand und dem Team besprochen worden sei. "Aber aufgrund der heutigen Meldung wird sich die Generaldirektion die aktuelle Lage natürlich genau ansehen, sowohl untertags als auch in der Nacht", wird die Sprecherin zitiert: "Und zwar unter anderem die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter, die Dienstplanung, die Abläufe und die Personalplanung." Ein Mitarbeiter der Generaldirektion sei bereits vor Ort. Den Vorwurf der Ärzte, Janßen habe der Abteilung mit einer Urlaubssperre gedroht, wies sie zurück. (APA, 11.1.2017)