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Valentin Inzko, der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, hat indirekt die Republika Srpska mit dem faschistischen Nazi-Marionettenstaat NDH verglichen.

Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Die Regierung des bosnischen Landesteils Republika Srpska (RS) will nicht mehr mit dem Büro des Hohen Repräsentanten von Bosnien-Herzegowina, Valentin Inzko, kommunizieren. Die Beziehungen würden abgebrochen, kündigte die RS am Donnerstag an. Grund der Auseinandersetzung ist der Feiertag der RS, der 9. Jänner, der als verfassungswidrig eingestuft wurde und den die RS am vergangenen Montag trotzdem mit allem Pomp und Trara gefeiert hatte. Sogar die Postler mussten in Banja Luka aufmarschieren.

Die nationalistische Führung der Republika Srpska versucht seit Jahren eine Sezession vom Zentralstaat durchzusetzen, obwohl das nicht nur dem Friedensvertrag von Dayton widerspricht, sondern schwere Spannungen erzeugen würde – möglicherweise sogar gewaltsame Konflikte.

Inzko hatte die Feiern kritisiert und gesagt, dass es für die internationale Gemeinschaft nur die Republika Srpska laut dem Dayton Vertrag gebe, die am 21. November 1995 legitimiert worden ist. Der 9. Jänner hingegen verweist auf das Jahr 1992, als die RS von Nationalisten "gegründet" wurde. Es handelte sich in den Kriegsjahren 1992 bis 1995 um einen Parastaat, der von niemanden anerkannt wurde und in dem Nichtserben nicht nur diskriminiert, sondern auch vertrieben und ermordet wurden. "Wenn wir anfangen, solche Feiertage zu feiern, dann wird vielleicht jemand daran denken, den 10. April zu feiern", sagte Inzko. "Da war die Gründung des NDH-Staates, und ich denke, dass niemand daran denkt, dies zu tun. Wir müssen in die Zukunft blicken und nicht in die Vergangenheit."

"Berühmter Clown der Internationalen Gemeinschaft"

Inzko verglich damit indirekt die RS in der Kriegszeit mit dem faschistischen Nazi-Marionettenstaat NDH, der Kroatien und Bosnien-Herzegowina umfasste. Bei der nationalistischen RS-Führung löste der Vergleich Empörung aus. Deren Präsident Milorad Dodik nannte Inzko "den berühmten Clown der internationalen Gemeinschaft". Das serbische Mitglied der dreiköpfigen bosnischen Präsidentschaft, Mladen Ivanić, forderte Inzko auf, sich zu entschuldigen. Inzko versicherte gegenüber dem STANDARD, dass er das nicht tun werde. "Meine Äußerung war in die Zukunft gerichtet", so Inzko. Die RS muss aufgrund des Vertrags von Dayton mit dem Büro des Hohen Repräsentanten zusammenarbeiten.

Inzko wird bereits seit einigen Jahren regelmäßig von der RS-Führung angegriffen. Er ist dafür zuständig, das Dayton-Abkommen zu überwachen und damit auch den Gesamtstaat zu schützen. Das ist natürlich nicht im Interesse der Führung der RS. Inzko hat keine Unterstützung der internationalen Gemeinschaft – insbesondere der USA – durchzugreifen, obwohl er offiziell über starke Vollmachten verfügt. Diese werden bereits seit 2006 nicht mehr ausgeübt. Ohne die Unterstützung der USA und anderer Player kann Inzko praktisch nichts tun. In einem Interview mit dem STANDARD meinte er kürzlich, er würde lieber auf sein Gehalt verzichten und dafür wenigstens ein Gesetz durchsetzen können.

Russland unterstützt Dodik

Dodik weiß, dass die internationale Gemeinschaft sich seit Jahren nicht mehr in Bosnien-Herzegowina engagiert und Inzko im Stich lässt. Deshalb kann er immer mehr seine Agenda vorantreiben. Er plant, 2018 ein Referendum zur Abspaltung der RS von Bosnien-Herzegowina abzuhalten. Bis dahin wird Inzko noch in Sarajevo bleiben. Mittlerweile gibt es sogar internationale Analysten – zuletzt im Magazin "Foreign Policy" –, die von einem möglichen Zerfall des Staates sprechen. Sie übernehmen also indirekt die Argumentation der RS-Führung.

Russland wiederum versucht seit einiger Zeit eine stärkere Rolle auf dem Balkan zu spielen und unterstützt traditionell serbische Interessen. Der russische Botschafter in Sarajevo unterstützte sogar das Referendum zur Beibehaltung des Feiertags der RS. Nun meinte Peter Iwanzow, er sei von Inzkos Stellungnahmen "überrascht". Diese zeigten "seinen Mangel an Objektivität" und würden Spannungen erzeugen.

Juristisches Nachspiel

Das Feiern des 9. Jänner in der Republika Srpska hat übrigens ein juristisches Nachspiel. Denn bei den Feierlichkeiten waren auch Mitglieder der gesamtstaatlichen bosnischen Armee in Banja Luka. Gegen diese Mitglieder der dritten Infanteriebrigade hat das Verteidigungsministeriums nun Untersuchungen eingeleitet, da das Ministerium die Teilnahme an den Feiern untersagt hatte. Die Soldaten waren vom serbischen Mitglied der Präsidentschaft, Mladen Ivanić, nach Banja Luka geholt worden.

Das Parlament der RS hatte zwar im Oktober ein neues Gesetz erlassen, wonach der Feiertag künftig ein säkularer Feiertag sein solle. In dem neuen Gesetz steht zudem, dass der RS-Feiertag für Nichtserben nicht verpflichtend sei. Die Gesetzesänderung gilt jedoch unter westlichen Diplomaten als Mogelpackung. Der Verfassungsgerichtshof hat sich dazu noch nicht geäußert, weil er sich mit dem neuen Gesetz noch gar nicht befasst hat, wie das Gericht dem STANDARD mitteilt.

Analyst warnt vor Krieg

Politische Analysten wie Srećko Latal warnen indes vor einer Eskalation. "Wenn es so weitergeht, kann das in den Krieg führen", meint Latal. "Die Bosniaken fühlen sich angesichts der Politik in der RS bedroht, weil der Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina ein Teil ihrer Identität ist." Er kritisiert aber auch das Vorgehen der Führung der bosniakischen Parteien. Diese würden versuchen, die anderen Volksgruppen – also vorwiegend Serben und Kroaten – zu dominieren. Tatsächlich war der Feiertag der RS vom Verfassungsgerichtshof untersagt worden, weil der Chef der größten bosniakischen Partei, Bakir Izetbegović, ein entsprechendes Verfahren einleiten hatte lassen. Zuvor war der RS-Feiertag jahrelang ohne irgendein Problem gefeiert worden.

Für viele bosnische Serben und Kroaten ist der wachsende Einfluss der Golfstaaten und der Türkei, wie er von Izetbegović gefördert wird, bedrohlich. Auch viele säkulare Bosnier, die sich nicht ehtnoreligiös definieren, fürchten den Einfluss salafistischer Gruppen und undemokratischer Staaten. Der Einfluss Russlands und der Türkei könne auch nur deshalb so wachsen, weil sich der Westen zurückgezogen habe, meint Latal. "Der große Bruder hat uns verlassen." Die internationale Gemeinschaft setze in Bosnien-Herzegowina bereits seit 2006 keine Regeln mehr durch.

Bosnische Kroaten wollen stärker vertreten sein

Auch die Auseinandersetzung um das Wahlgesetz könnte demnächst eskalieren. Der Verfassungsgerichtshof hat das Wahlgesetz im Dezember – aufgrund einer Anfrage des bosnisch-kroatischen Politikers Božo Ljubić – für nicht verfassungskonform erklärt. Konkret geht es dabei um die Ernennung von Abgeordneten für das "Haus der Völker", eine Parlamentskammer der Föderation, die die Interessen der drei konstitutiven "Völker" Bosniaken, Serben und Kroaten vertritt.

Ljubić hatte argumentiert, dass die Kantone mit einer kroatischen Mehrheit nicht so viele kroatische Vertreter auswählen können, wie das dem Elektorat entspreche. Das Verfassungsgericht ordnete an, dass das Wahlgesetz innerhalb von sechs Monaten – also bis Mai – geändert werden sollte. Aber damit rechnet niemand in Bosnien-Herzegowina. Denn politisch ist eine Einigung zwischen allen maßgeblichen Parteien unrealistisch. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 13.1.2017)