Das "Confiteor" oder "Mea culpa" ist in der christlichen Liturgie eine feststehende Übung: "Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen und allen Brüdern und Schwestern, dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe (...) durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld" ("mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa").

Manche spulen das in der Kirche einfach so ab, manche fühlen sich danach besser. Christian Kern borgte sich dieses Ritual für seine große Welser Rede aus: "Die Menschen haben sich von uns abgewandt. Sie haben recht. Ja, ich verstehe eure Enttäuschung. Nicht ihr habt euren Weg verlassen, wir haben unseren Weg verlassen. Es ist nicht eure Schuld, es ist unsere Schuld."

Es war der fast einzige emotionale Moment in einer Rede, die sonst eine Aufzählung von Themen war. Aber Kern vermied es, auf die Ursachen der Enttäuschung genauer einzugehen: "Ausländer" im Gemeindebau? Unsicherheit am Arbeitsplatz? Stagnierende Einkommen? Funktionärsarroganz? Das sind so einige der Gründe, von denen man annimmt, dass ihretwegen die SPÖ-Wähler inzwischen zu Hause bleiben oder zur FPÖ überlaufen.

Interessant, dass ein moderner Sozialdemokrat und Meister der Kommunikationstechnik auf einen so uralten religiösen Mechanismus zurückgreift. Im Christentum folgt auf das Schuldeinbekenntnis die Vergebung. Aber es wird auch tätige Reue verlangt. (Hans Rauscher, 13.1.2017)